Jacob Chammon ist seit 1. August 2023 Geschäftsführer der Deutsche Telekom Stiftung. Der gebürtige Däne ist ausgebildeter Lehrer für Dänisch, Deutsch als Fremdsprache, Geschichte und Musik und arbeitete zunächst an Schulen in Dänemark. 2011 kam Chammon nach Berlin und übernahm 2012 die Schulleitung der damals neugegründeten Deutsch-Skandinavischen Gemeinschaftsschule. 2019 wechselte Chammon zum Forum Bildung Digitalisierung e.V. Zuletzt war er dort geschäftsführender Vorstand, zuständig für Strategie und Programmaktivitäten.
Zu welchem Zweck hat die Telekom die Stiftung gegründet?
Grundlage dieser Entscheidung war das gesellschaftliche Engagement des Telekom-Konzerns. Von Beginn an gehörten Unternehmertum und gesellschaftliche Verantwortung für die Telekom zusammen, und so hat der Konzern – als selbständiges Unternehmen aus der Bundespost heraus gegründet – sich immer auch für Themen außerhalb des Kerngeschäfts engagiert. Die Gründung der gemeinnützigen Stiftung 2003 war ein sehr großer Schritt in Richtung Nachhaltigkeit, denn eine Stiftung soll langfristig wirken. Relativ schnell war auch klar, welchen Fragen sich die junge Stiftung widmen sollte, denn vor 20 Jahren waren die schlechten PISA-Ergebnisse und der Nachwuchsmangel in den mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Fächern – heute kennen wir die Abkürzung MINT – große Herausforderungen. So wurde die Telekom-Stiftung zu einer MINT-Bildungsstiftung, und das sind wir bis heute geblieben.
An welche Zielgruppen richten sich Ihre Angebote?
Grundsätzlich richten sich derzeit die meisten Angebote an Lernbegleiter:innen von jungen Menschen im Alter zwischen zehn und 16 Jahren. Dabei verstehen wir unter dem Begriff „Lernbegleiter“ nicht nur Lehrkräfte, sondern zum Beispiel auch Medienpädagog:innen, Sozialpädagog:innen oder auch Bibliothekare – eben alle, die Kinder und Jugendliche auf ihren Bildungswegen begleiten. Wir sind aber gerade in einer Strategieüberprüfung, so dass wir in Zukunft vielleicht auch weitere oder andere Zielgruppen adressieren.
Sie gehören zu den großen MINT-Bildungsstiftungen in Deutschland. Mit Blick auf die globalen Herausforderungen wie Digitalisierung, Klimawandel oder Elektromobilität sind die Bildung und Zukunftskompetenzen von Kindern und Jugendlichen heute wichtiger denn je. Wie fördern Sie diese beiden wichtigen Fähigkeiten konkret?
Ich nenne Ihnen zwei Beispiele: Eines unserer ältesten Vorhaben ist die Junior-Ingenieur-Akademie. Das ist ein Wahlpflichtfach für die Mittelstufe, und es geht darum, Jugendliche, die sich für MINT interessieren, an Berufsbilder aus diesem Umfeld heranzuführen. Im Schulalltag bedeutet das: Neben Unterricht in Mathematik, Physik oder Informatik machen die Schüler:innen praktische Erfahrungen in Unternehmen oder Laboren. Da entstehen tolle Ergebnisse wie ein solarbetriebenes Boot oder Tablet-Halter aus Bio-Kunststoffen. Zweites Beispiel ist die Initiative „Ich kann was!“. Hier lernen junge Menschen den souveränen Umgang mit digitalen Medien – ohne Noten, ohne Druck und an ihre Lebenswirklichkeit angepasst. Da wird dann zum Beispiel online gezockt, aber gleichzeitig auch über Spielsucht und Datenschutz gesprochen.
Welche Kompetenzen vermitteln Sie in Ihren Projekten neben mathematischem, technischem und naturwissenschaftlichem Wissen?
Sie sprechen die Kompetenzen des 21. Jahrhunderts an, wie Bildungsforscher:innen sie nennen. Das sind Kreativität, Kollaboration, Kommunikation und kritisches Denken. Viele Expert:innen nennen Computational Thinking als fünfte Kompetenz. Diese Themen adressieren wir in unterschiedlichsten Vorhaben, stellen aber auch immer wieder fest, dass wir die Lernbegleiter:innen manchmal überfordern, wenn wir sie mit Kreativitätstechniken für den Unterricht, der Design-Thinking-Methode oder dem Deeper-Learning-Ansatz konfrontieren. Das sind Bildungsinnovationen, mit denen die genannten Zukunftskompetenzen bei Schüler:innen gefördert werden sollen. Dafür lässt der enge Lehrplan leider häufig keinen Platz. Also müssen wir hier auch Schulen darin unterstützen, mehr Freiheiten zu bekommen, um neue Lernmethoden einzuführen.
Wie genau fördern Sie die überfachlichen Kompetenzen, etwa Kreativität? Welche Absicht steckt dahinter?
Nicht nur internationale Bildungsforscher:innen, sondern auch wir bei der Stiftung sind davon überzeugt, dass diese Kompetenzen – gerade auch Kreativität – dabei helfen können, komplexe Herausforderungen wie den Klimawandel anzugehen. Wir brauchen junge Menschen, die in der Lage sind, nicht nur gelerntes Wissen abzurufen, sondern auch nach neuen Wegen zur Lösung von Problemen zu suchen. Dafür stellen wir zum Beispiel Materialien wie das Lernspiel „Moonshot EDU“ zur Verfügung, das im Unterricht zu kreativem Denken anregt.
Wie bedeutsam ist die Förderung von Mädchen beziehungsweise Frauen in Ihrem Bereich?
Genauso wichtig wie die von Jungen und Männern und die von Kindern mit Migrationshintergrund der ersten Generation. Gerade bei Letzteren gibt es Potential zu heben. Wir können es uns in Deutschland nicht leisten, Talente zu verlieren. Und gerade im MINT-Bereich dürfen wir nicht nachlassen, wenn es darum geht, junge Menschen für diese Themen zu begeistern. Viele können sich gar nicht vorstellen, wie eine erfolgreiche Berufslaufbahn in diesem Umfeld aussehen kann. Hier braucht es Vorbilder und auch Stiftungsprojekte wie die Junior-Ingenieur-Akademie oder die „GestaltBar“, die für die Berufsorientierung sehr wertvoll sein können.
Arbeiten Sie auch mit anderen Unternehmen zusammen?
Nicht mit anderen Unternehmen, aber mit anderen unternehmensverbundenen Stiftungen. Mit einigen kooperieren wir zum Beispiel sehr erfolgreich im „Forum Bildung Digitalisierung“ – meinem früheren Arbeitgeber. Hier geht es um die digitale Transformation von Schule, der Verein wird von zehn Stiftungen getragen. Wir haben in einzelnen Vorhaben aber auch bilaterale Kooperationen.
Welche Erfolge konnte die Stiftung in den 20 Jahren ihres Bestehens verzeichnen?
Ich bin selbst ja erst kurz dabei und kenne viele Aktivitäten nur vom Erzählen. Ich nenne Ihnen aber drei Programme und Projekte, die ich besonders eindrucksvoll finde, weil sie eine Wirkung auf das Bildungssystem entfaltet haben. Da ist in jedem Fall das Engagement der Stiftung für die frühe Bildung. Das hat dazu beigetragen, dass Kitas heute als Bildungsorte wahrgenommen werden und nicht nur als Aufenthaltsorte für kleine Kinder, bis sie in die Schule gehen. Darüber hinaus finde ich die Aktivitäten rund um die digitale Bildung spannend und wegweisend. Sehr früh hat die Stiftung den Grundsatz Pädagogik vor Technik vertreten – vor 20 Jahren neu, heute eine Selbstverständlichkeit, wenn es um digitale Medien an der Schule geht. Und einer der größten Erfolge ist zweifellos das Deutsche Zentrum für Lehrkräftebildung Mathematik, das heute von Bund und Ländern getragen wird und als Blaupause für die Kompetenzzentren des Bundes zur Lehrkräftebildung gilt.
Wie profitiert die Telekom von diesem Engagement?
Sie ist stolz auf ihre Stiftung und deren inzwischen führende Rolle in der Stiftungslandschaft. Unsere Aktivitäten kommen der Gesellschaft zugute, und das ist das, was Corporate Citizenship erreichen will.
Die Fragen stellte Gabriele Kalt.




