Künstliche Intelligenz kann die globalen Treibhausgas Emissionen senken, wenn sie gezielt für Nachhaltigkeitsziele eingesetzt wird. Doch zwischen technischem Potenzial und praktischer Umsetzung klafft eine Lücke. Studien zeigen: Ethik, Governance und die Befähigung der Mitarbeitenden sind entscheidend, um KI verantwortungsvoll zu nutzen. Wir haben Führungskräfte aus unterschiedlichen Branchen gefragt. Ihre Antworten machen deutlich: Verantwortungsvolle KI-Transformation ist kein Technologie-, sondern ein Führungsthema.

JOCHEN GROSS, Head of Sustainability Data Strategy & Architecture, Siemens
Künstliche Intelligenz ist für uns nicht nur eine Technologie, sondern ein strategischer Hebel zur Beschleunigung der Nachhaltigkeitstransformation. Bei Siemens nutzen wir KI auf zwei Ebenen: Wir verbessern damit die Nachhaltigkeit unserer eigenen Geschäftstätigkeit und befähigen gleichzeitig unsere Kunden, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Wir arbeiten dabei eng mit anderen Abteilungen, so aus den Geschäftsbereichen, R&D und IT, zusammen. Diese abteilungsübergreifende Kooperation ermöglicht es uns, das Potenzial von KI mit komplexem Branchenwissen und Nachhaltigkeit zu verbinden. Gleichzeitig hat Siemens ein KI-Governance-Framework etabliert, das ethische Standards, Transparenz und verantwortungsvolle Integration sicherstellt. Beispielsweise wird hier „Sustainability-by-Design“ in alle IT-Entscheidungen integriert. Ein Beispiel: der Betrieb unserer Datenzentren mit 100% erneuerbarer Energie.

DIETER LAGOIS, Vorstand, EWR
Künstliche Intelligenz ist kein technisches Add-on, sondern der Schlüssel für eine nachhaltige Energiezukunft. Bei EWR haben wir KI auf Vorstandsebene als strategisches Steuerungselement verankert – mit klaren Governance-Strukturen und interdisziplinären Teams –, die alle KI-Initiativen hinsichtlich ihrer ökologischen, sozialen und regulatorischen Auswirkungen bewertet und klare Leitlinien für deren Einsatz vorgibt. Mit einer datengetriebenen Entscheidungsarchitektur schaffen wir Transparenz und Effizienz für eine stetige Verbesserung unserer Prozessabläufe und Dienstleistungen.

KATHRIN HESS, Director Defence & Green Transformation, Manpower Group
Künstliche Intelligenz verändert unsere Arbeitswelt bereits heute spürbar – weniger durch den Wegfall ganzer Jobs, sondern durch das Entfallen einzelner Tätigkeiten und die Neugestaltung von Aufgaben. Unternehmen müssen daher konsequent auf strategische Weiterbildung und neue Lernwege setzen, damit Mitarbeitende die Chancen von KI aktiv nutzen können. Reskilling, Upskilling und das bewusste Verlernen überholter Routinen werden zentrale Kompetenzen jeder Organisation. Ebenso wichtig sind eine ehrliche Fehlerkultur, Offenheit für neue Ansätze und die Flexibilität, diese umzusetzen. Nur wer Digitalisierung, KI und nachhaltige Transformation gemeinsam denkt und die passende Kultur schafft, gestaltet eine Arbeitswelt, in der Menschen und Technologie produktiv zusammenwirken.

BENEDIKT HÖCK, Partner, Künstliche Intelligenz Partner, Head of AI, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Die Transformation hin zu KI-gestützter Nachhaltigkeit ist weit mehr als ein Technologieprojekt. Ihr Erfolg hängt vor allem von der Unternehmenskultur ab. Entscheidend ist, das Team mit Transparenz, gezielter Weiterbildung und einem gemeinsamen Zielbild zu begleiten. Neben gesicherter Datenqualität und der Integration komplexer ESG-Vorgaben prägen menschliche Faktoren den Erfolg. Akzeptanz entsteht, wenn Verantwortliche Unsicherheiten abbauen und Widerstände gegen Automatisierung lösen. Menschen verstehen KI dann als Werkzeug, das sie aktiv weiterentwickeln. Für mich heißt Führung deshalb: Vertrauen fördern, Raum für Experimente schaffen – und den Mut haben, neu zu denken und einfach zu machen.

MARC-SVEN MENGIS, Geschäftsführer Personal und Nachhaltigkeit, Unternehmensgruppe fischer
Digitalisierungsprozesse und Nachhaltigkeit sind bei fischer eng verbunden. Mit zunehmendem Einsatz von KI entstehen Mehrwerte, die sich positiv auswirken. Die digitale Transformation sorgt für schlanke und effiziente Prozesse und schafft Vorteile für unsere Kunden. Prozesse, die wir schlank und effizient gestalten, helfen immer auch, die Nachhaltigkeit zu verbessern. Größter Hebel sind dabei unsere 4.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie haben Zugang zu vielfältigen KI-Technologien. In Schulungsoffensiven wie den ‚Digital Learning Days‘ bildet sich unser gesamtes Team weiter. ‚Digital Enabler‘ in allen Zentralbereichen tragen ihr Expertenwissen zudem in ihre jeweiligen Teams. So ist sichergestellt, dass jede und jeder vom KI-Einsatz im Arbeitsalltag profitiert. KI bietet viele Chancen. Doch sind wir uns auch der möglichen Risiken bewusst. Daher prüfen wir immer sehr genau, wo KI verantwortungsvoll eingesetzt wird.

EDUARD SINGER, Arbeitsgruppe Cybersecurity, KI Bundesverband & Co-Founder, neusinger.ai
Der Kulturwandel hin zu KI-gestützter Nachhaltigkeit gelingt nur, wenn wir bei Menschen beginnen. Wir versuchen, psychologische Sicherheit zu schaffen: Fragen und Skepsis sind ausdrücklich erwünscht. Statt „KI ersetzt Jobs“ sprechen wir über entlastete Routinen und mehr Zeit für Wirkung. Schulungen verbinden Praxisfälle mit Ethikfragen. Unerwartet kritisch ist die Angst vor Transparenz: KI macht blinde Flecken sichtbar – etwa ineffiziente Prozesse oder unfaire Muster. Unsere Aufgabe als Führung ist es, diese Einsichten nicht als Kontrolle, sondern als Chance für gemeinsames Lernen zu gestalten.

DR. TANJA SCHMIDT, CEO und Co-Founder, INES Analytics
KI verändert unsere Arbeitswelt. Richtig eingesetzt, wird sie zum Instrument sozialer Nachhaltigkeit. Fairness entsteht dort, wo Entscheidungen nachvollziehbar und objektiv sind. Bei INES Analytics stehen wir für faire Arbeitsbedingungen für alle im Unternehmen und nutzen unsere selbst entwickelte Deeptech-KI, um wissenschaftliche Erkenntnisse praktisch nutzbar zu machen – nicht, um Menschen zu bewerten, sondern um Organisationen zu befähigen, gerechter zu handeln. Sie liefert keine Urteile, sondern Hinweise, wo genauer hingeschaut werden sollte. So wird Technologie zum Werkzeug für Verantwortung.

DR. JEAN ENNO CHARTON, Head of Sustainable Business Transformation, Merck
Seit 10 Jahren treibt Merck den Einsatz von KI in Forschung und Geschäft voran, seit einigen Jahren auch im Bereich Nachhaltigkeit. Umfassende KI Transformation erreichen wir durch das Befähigen der Mitarbeitenden verantwortungsbewusst mit KI umzugehen und Ihnen Zugang zu KI Tools zu ermöglichen, damit sie nicht nur das theoretische Wissen erwerben, sondern auch praktische Erfahrungen sammeln können. Bei Merck machen wir dies durch konzernweite Trainings zu unserem AI Governance Standard und klare Richtlinien für digitale Ethik.

PETER SCHROEDER, Chief AI Officer, CompuGroup Medical
Bei CompuGroup Medical gestalten wir aktiv die nachhaltige Zukunft des Gesundheitswesens – und setzen dabei auf Künstliche Intelligenz als treibende Kraft. Bereits heute fördern wir mit KI-gestützten Lösungen wie CGM One digitale Exzellenz und nachhaltige Prozesse an allen Orten der Gesundheitsversorgung. Unsere Entwicklungs- und Umsetzungsprojekte basieren auf Co-Creation mit unseren Kunden, Transparenz sowie dem klaren Fokus auf Anwendungsfälle mit echtem Mehrwert. Dadurch bauen wir Vorbehalte ab und stärken das Vertrauen in innovative Technologien und nachhaltige Entwicklung. Mitarbeitenden und Anwendende im Gesundheitswesen erleben, wie KI dabei hilft, bessere Entscheidungen zu treffen, Bürokratie zu verringern und Ressourcen effizienter einzusetzen. Dank Mut und Neugier entsteht greifbarer Fortschritt und nachhaltiger kultureller Wandel.

JEROME EVANS, Gründer und CEO, firstcolo
Der Wandel zur KI-gestütztern Nachhaltigkeit gelingt nur, wenn Datenqualität, Mitarbeiterakzeptanz und organisatorische Entwicklung zusammenspielen. Entscheidend ist eine klare, proaktive Kommunikation und die Ermutigung durch das Management. Wir setzen auf Innovation als festen Unternehmenswert und arbeiten mit Early Adoptern, die neue KI-Lösungen in die Organisation tragen. Besonders wirkungsvoll war der gezielte Pilot mit einer KI-Plattform, die verschiedene Sprachmodelle bereitstellt und in einer kleinen Gruppe getestet wurde, bevor sie sich im Unternehmen verbreitet hat. Klar ist, KI braucht verlässliche Daten: „Garbage in, garbage out“. Datenpflege ist eine gemeinsame Aufgabe, die als unternehmensweites Projekt verstanden werden muss.




