Asphalt bröckelt und kämpft mit Investitionslücken und bürokratischen Hürden. Abgestempelt als „Klimasünder“ fehlt ihm derzeit in Politik und Bevölkerung der Rückhalt – dabei könnten moderne Verfahren Emissionen, Kosten und Haltbarkeit deutlich verbessern.
Deutschlands Straßen prägen nicht nur unser Landschaftsbild, sondern auch Klimabilanz und Konjunktur. Während Elektromobilität, alternative Antriebe und CO₂-neutrale Kraftstoffe heiß diskutiert werden, bleibt eine entscheidende Stellschraube meist unbeachtet: der Straßenbelag. Asphalt zählt zu den meistverwendeten Baustoffen im Infrastrukturbereich – und ist zugleich wohl der am stärksten vernachlässigte – sowohl bei Zukunftsinvestitionen, wie die aktuelle Haushaltsdebatte zeigt, als auch hinsichtlich seines Potenzials für den Klimaschutz.
Asphalt als versteckter Klimahebel
Dabei ist der Straßenbelag einer der größten Klimafaktoren im Ver kehr: Allein in Deutschland wurden laut Deutschem Asphaltverband 38 Millionen Tonnen neuer Asphalt im letzten Jahr produziert. Dabei entstehen immense Mengen an Emissionen. Für nur 100 Meter frisch asphaltierte Straße werden mehr CO₂-Emissionen freigesetzt, als eine durchschnittliche Person in Deutschland in einem ganzen Jahr verursacht.
Asphalt besteht aus Gestein und Bitumen, einem Erdölprodukt. Bitumen ist in der Lage, den ständigen Wechsel von Hitze und Kälte, Nässe und Trockenheit, Belastung und Erschütterung erstaunlich lange mitzumachen. Außerdem werden dem Asphalt häufig extra dafür produzierte Kunststoffe, sogenannte Polymere, zugesetzt, die ihn haltbarer und flexibel machen. Das passiert vor allem bei Straßen, die einer hohen Belastung ausgesetzt sind, etwa durch Busse, Lkw, schwere Maschinen oder Dauerbelastung in dicht besiedelten Gebieten. Noch wird dafür fabrikneuer Kunststoff genutzt, mit allen damit verbundenen Umweltbelastungen.
Zusätzlich ist die Asphaltproduktion abhängig von ausländischen Zulieferern und importierten Rohstoffen. Das betrifft besonders die petrochemischen Bestandteile Bitumen und Polymere. Die Folgen sind anfällige Lieferketten, explodierende Preise und Verzögerungen bei Straßenbauprojekten. Ein prägnantes Beispiel: SBS, ein Elastomer, das bei der Bitumenmodifikation zum Einsatz kommt und für die Leistungsfähigkeit moderner Asphaltmischungen unerlässlich ist. Zwar nicht überwiegend, aber dennoch in spürbarem Umfang stammt dieses Material aus handelspolitisch volatilen Märkten.
Auch die Recyclingquoten des Asphalts könnten besser sein: Eigentlich kann er am Ende seines Lebenszyklus mit einfachen Mitteln aus der Straße genommen, wieder erhitzt und woanders erneut eingebaut werden. Aktuell werden rund 12,5 Millionen Tonnen Ausbauasphalt jährlich wiederverwendet, was bei 13,9 Millionen Tonnen des anfallenden Ausbauasphalts knapp 90 Prozent entspricht.
Aber: Ein Großteil des Ausbauasphalts wird nicht für hochwertige Deckschichten der Straße, sondern für minderwertige Anwendungen in tieferen Schichten oder sogar im Deponiebau genutzt.
Denn eine Straße besteht aus mehreren übereinandergelagerten Ebenen, die unterschiedliche Anforderungen erfüllen. In vielen Ausschreibungen von Behörden und Bundesländern ist die Wiederverwendung von Asphalt zwar grundsätzlich möglich, doch werden hohe Recyclingquoten häufig nicht zugelassen, obwohl diese technisch machbar und erprobt sind. Die Baubranche wird ausgebremst, und viele Mischwerke verwenden nur einen Bruchteil des recycelbaren Materials, obwohl sie in der Lage wären, ihre Quoten deutlich zu erhöhen.
Wenn Deutschland seine Klima ziele im Verkehrssektor erreichen will, müssen wir nicht nur über Elek troautos sprechen, sondern auch über den Untergrund, auf dem sie fahren.
Innovative Lösung für nachhaltigen Straßenbau
Gerade bei der Neuproduktion lassen sich Emissionen deutlich reduzieren, wenn recycelte Kunststoffe gezielt eingesetzt werden. Aus diesem Gedanken heraus haben wir bei ecopals, gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut (ICT) und der Universität Kassel, einen Asphaltzusatz aus Recyclingpolymeren entwickelt: die sogenannten EcoFlakes. Die Grundidee entstand 2019 als Projekt der NGO Nidisi in Nepal – heute ist daraus ein praxiserprobter Baustoff geworden.
Das Prinzip ist simpel: In Europa fallen jährlich Millionen Tonnen Altplastik an, die größtenteils in der Verbrennung landen. ecopals verarbeitet Teile dieser schwer verwertbaren Kunststoffgemische in mehreren Schritten: Zunächst werden die Kunststoffe sortiert, gewaschen und granuliert. Durch chemische Modifikatoren werden die EcoFlakes so aufbereitet, dass sie hitzestabil und langlebig bleiben. Gleichzeitig wird die Bindung der Recyclingpolymere mit dem Bitumen im Asphalt verbessert.
Die Vorteile sind enorm: Zum einen kann der CO₂-Ausstoß um bis zu 20 Prozent reduziert werden, was einen wichtigen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele leistet. Darüber hinaus verlängert sich die Lebensdauer, da EcoFlakes das im Asphalt enthaltene Bitumen länger frisch halten. Die Straßen werden widerstandsfähiger gegenüber Witterungseinflüssen und starker Belastung durch den Verkehr. Auch ökonomisch stehen die Produkte in direkter Konkurrenz zur etablierten Norm, was angesichts des hohen Preisdrucks in der Branche ein entscheidender Aspekt für viele Käufer ist. Letztlich zeigt sich der Mehrwert auch am Ende des Lebenszyklus: Straßen, die mit EcoFlakes gebaut wurden, altern weniger. Das trägt dazu bei, den Ressourcenkreislauf zu schließen und den Materialeinsatz insgesamt nachhaltiger zu gestalten.
Die Technologie hat sich in der Praxis bewährt: Die EcoFlakes wurden in über 35 Projekten in sechs Ländern erfolgreich zum Einsatz gebracht. Aktiv sind wir vor allem in Deutschland, zum Beispiel auf Abschnitten der Autobahnen A7 und A480. Umfangreiche Performance Tests zeigen, dass der Asphalt mit EcoFlakes mindestens so belastbar ist wie herkömmlicher Asphalt – oft sogar leistungsfähiger.
Zu langsam für morgen
Obwohl Innovationen wie diese technologisch bewiesen sind, reagiert die Branche zunächst oft zurückhaltend – unter anderem aufgrund veralteter Vorschriften und zurückhaltender Behörden. In Deutschland beeinflusst ein eingetragener Verein, die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), durch seine Empfehlungen, welche Regeln bundesweit im Straßenbau gelten. Insbesondere öffentliche Auftraggeber – zuständig für die überwältigende Mehrheit aller Straßenbauprojekte im Land – orientieren sich daran.
Dabei halten die Richtlinien an altbewährten Methoden und Produkten fest und lassen so wenig Raum für Entwicklungen.
Auch wenn die Gremienarbeit formal offen und ehrenamtlich ist, fehlen bislang die Stimmen kleiner und mittelständischer Unternehmen in diesen Runden; dabei tragen gerade diese mit ihrer Praxisnähe, Innovationskraft und regionalen Verankerung maßgeblich zur Weiterentwicklung der Branche bei. Bei knapp 15.000 Kilometern Straße in Deutschland, die dringend saniert werden müssen, ist das ein ernstzunehmendes Problem. Technologieoffene und ergebnisorientierte Ansätze sind hier der Schlüssel, um den Sanierungsstau wirkungsvoll zu bewältigen und gleichzeitig die im Klimaschutzgesetz verankerte Klimaneutralität des Verkehrssektors bis 2045 aktiv voranzutreiben. Für die Branche bietet sich hier die Chance, als verantwortungsbewusstes Positivbeispiel voranzugehen. Damit Deutschland wieder eine führende Rolle in der technologischen Entwicklung des (Straßen-)Baus einnehmen kann, ist eine performanceorientierte und neutrale Bewertung von Bauwerken erforderlich.
Ebenso wichtig ist ein angemessenes Budget für die Erprobung von Innovationen. Bereits weniger als zwei Prozent des aktuellen Straßenbaubudgets für innovative Projekte zu nutzen, könnte die Einführung neuer, häufig in Deutschland entwickelter Technologien erheblich beschleunigen. Derzeit exportieren wir viele deutsche Innovationen ins Ausland und beginnen erst Jahre später, über deren Einsatz im Inland nachzudenken. Eine Studie des BDI zeigt, dass rund ein Drittel der großen Industrieunternehmen ihre Forschungs- und Entwicklungsbereiche bereits ins Ausland verlagert haben. Hauptgründe: Bürokratieabbau und Kosten.
Tatsächlich mangelt es in Deutschland derzeit jedoch nicht nur an Innovationsbudgets, auch die Investitionsgrundlagen wirken in Teilen instabil.
Im zweiten Regierungsentwurf zum Haushalt 2025 ist der Straßenbau deutlich unterrepräsentiert. Aus dem neuen Sondervermögen zur Infrastrukturmodernisierung (SVIK), das eigentlich für Zukunftsinvestitionen gedacht ist, fehlen für die Straße im laufenden Jahr eindeutig die erhofften Zusatz mittel. Hinzu kommen Kürzungen im Kernhaushalt: Die Autobahn GmbH und die Bundesfernstraßen müssen mit deutlich weniger Mitteln auskommen.
Obwohl sie der wichtigste Verkehrsträger des Landes – mit einer Nutzlast von über 84 Prozent des gesamten Güterverkehrs – ist, spiegelt sich das nicht konsequent in den politischen Prioritäten wider. Bleibt ihre Instandhaltung und Modernisierung weiter auf der Strecke, drohen volkswirtschaftliche Folgekosten und ein unüberwindbarer Sanierungsstau. Ein zukunftsfähiger Straßenbau braucht Verlässlichkeit – in der Finanzierung ebenso wie in den Rahmenbedingungen. Projekte, die Wirtschaftlichkeit, Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft verbinden, benötigen neben technologischer Offenheit auch den politischen Willen, neue Wege zu ermöglichen. Das ist der Kern einer überfälligen Straßenwende: Weg vom kurzfristigen Flick werk, hin zu langfristigen Investitionen in klimafreundliche, resiliente und zirkuläre Infrastrukturen.
Zwar wurden die vom Verkehrsministerium zur vorzeitigen Freigabe beantragten Ausgaben von rund 391 Millionen Euro für die Sanierung von Brücken und 709 Millionen Euro für Fahrbahnsanierungen vom Haushaltsausschuss bewilligt, doch bleibt abzuwarten, ob daraus eine langfristige Trendwende erwächst. Richtig ist: Mit den Mitteln können nun wichtige Projekte der Autobahn GmbH gesichert werden. Über die Mittel lassen sich zudem noch in diesem Jahr zusätzliche Maßnahmen zur Modernisierung der Bundesfernstraßen anstoßen. Und doch steht diese späte, wenn auch notwendige Nachjustierung exemplarisch für die Lücke zwischen Anspruch und Realität im Umgang mit der Straße.
Fazit: Zwischen Anspruch und Realität
Obwohl sie der wichtigste Verkehrsträger des Landes – mit einer Nutzlast von über 84 Prozent des gesamten Güterverkehrs – ist, spiegelt sich das nicht konsequent in den politischen Prioritäten wider. Bleibt ihre Instandhaltung und Modernisierung weiter auf der Strecke, drohen volkswirtschaftliche Folgekosten und ein unüberwindbarer Sanierungsstau. Ein zukunftsfähiger Straßenbau braucht Verlässlichkeit – in der Finanzierung ebenso wie in den Rahmenbedingungen. Projekte, die Wirtschaftlichkeit, Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft verbinden, benötigen neben technologischer Offenheit auch den politischen Willen, neue Wege zu ermöglichen. Das ist der Kern einer überfälligen Straßenwende: Weg vom kurzfristigen Flick werk, hin zu langfristigen Investitionen in klimafreundliche, resiliente und zirkuläre Infrastrukturen.




