In jüngster Zeit haben CEOs erhebliche Anstrengungen unternommen, um sich für Maßnahmen zur Erreichung von NettoNull-Emissionen einzusetzen. Ein bemerkenswertes Beispiel ist die Alliance of CEO Climate Leaders, eine vom Weltwirtschaftsforum geförderte Gruppe, die einen Umsatz von 4 Billionen Dollar und 12 Millionen Beschäftigte in aller Welt repräsentiert. Die Mitglieder dieser Gruppe haben Unternehmen sowie Regierungen nachdrücklich aufgefordert, sich an den Bemühungen zur Erreichung von Netto-Null-Emissionen zu beteiligen.
Im Oktober 2023 richteten mehr als 100 Geschäftsführende und leitende Angestellte einen offenen Brief an Staats- und Regierungschefs, in dem sie diese vor der Klimakonferenz COP28 zur Unterstützung umweltfreundlicher Maßnahmen aufriefen. Wie es in dem Brief heißt, hängt die erfolgreiche Erzielung von Netto-Null von der Umsetzung dieser Maßnahmen ab. Die Geschäftsführenden fordern dafür die Unterstützung von politischen Entscheidungsträger:innen und einem breiten Spektrum von Interessengruppen, um Erneuerbare-Energie-Projekte zu fördern und Hindernisse zu überwinden, die umweltfreundliche Lösungen beeinträchtigen.
Der Klimawandel erfordert Anpassungen in der Art und Weise, wie Unternehmen den Interessengruppen begegnen, sowie im Umgang mit Vorschriften und der Einhaltung von Bestimmungen. Dadurch liegt der Schwerpunkt stärker auf der Verankerung von Nachhaltigkeit im Kern der Geschäftsstrategie.
Unternehmen müssen zwei Ziele vereinbaren: die Widerstandsfähigkeit gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels steigern und dabei zukünftige Marktchancen nutzen.
Diese Ziele sind nicht nur ideologisch, sondern auch greifbar, denn Unternehmen müssen sich auf die bereits jetzt auftretenden Auswirkungen des Klimawandels einstellen. So musste beispielsweise das Volkswagen-Werk in Portugal im Jahr 2023 aufgrund einer Überschwemmung in Slowenien die Produktion für über zwei Monate einstellen, was sich auf die Lieferkette auswirkte und zu Massenentlassungen führte. Dadurch sank nicht nur der Wert der VW-Aktie, auch das portugiesische BIP insgesamt (für das VW 4 % der Exporte ausmachte) erlitt einen massiven Einbruch.
Die durch die Klimakrise verursachten Extremwetterereignisse, wie die ungewöhnlich heißen und trockenen Sommer und die Hochwasserkatastrophen der letzten Jahre, haben in Deutschland Schäden in Höhe von über 80 Milliarden Euro verursacht. Eine vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in Auftrag gegebene Studie aus dem Jahr 2022 ergab, dass vor allem die Forstund Landwirtschaft in weiten Teilen Deutschlands unter der Hitze und Trockenheit litten. Allein in den beiden Extremjahren 2018 und 2019 verzeichneten diese Wirtschaftszweige Schäden in Höhe von rund 25,6 Milliarden Euro. Weitere neun Milliarden Euro an Schadenskosten fielen in Industrie und Gewerbe an, da die Produktivität der Erwerbstätigen durch die Hitze sank. Das Hochwasser im Jahr 2021 traf vor allem private Haushalte mit Schäden in Höhe von 14 Milliarden Euro. Es kam jedoch auch zu erheblichen Schäden im Baugewerbe (6,9 Milliarden Euro), in der Verkehrsinfrastruktur (6,8 Milliarden Euro) und in Industrie und Gewerbe (5,0 Milliarden Euro). Die Schadensbilanz war groß und reichte vom Automobilzulieferer, in dessen Produktionshalle das Wasser meterhoch stand, bis hin zu überfluteten und kaputten Bahngleisen.
Ein dringender Bedarf an Daten
CEOs treffen Entscheidungen auf der Grundlage von Zahlen. Sie brauchen nicht nur Daten, sondern auch die richtigen Technologien und Arbeitskräfte, um Erkenntnisse zu gewinnen – insbesondere im Zusammenhang mit Klimawandel und Nachhaltigkeit.
Um gut auf Klimaereignisse reagieren zu können, brauchen Unternehmensleiter:innen jedoch Zugriff auf Daten, aus denen die wahrscheinlichsten Zukunftsszenarien und deren Auswirkungen auf das eigene Geschäftsmodell hervorgehen.
Nur dann können sie die richtigen Strategien entwickeln, fundierte Entscheidungen im Bereich Nachhaltigkeit treffen und letztlich ihre Unternehmen klimaresilient machen. Ohne diese Details und Erkenntnisse sind Geschäftsführer unter Umständen nicht in der Lage, auf eine nachhaltigere Betriebsführung umzustellen.
Zwar ist es üblich, dass Unternehmen datengestützte Geschäftsanalysen durchführen, doch frühere Analysen wurden häufig nicht im Hinblick auf die Nachhaltigkeit erstellt. Für viele Unternehmen hat sich das inzwischen geändert. In der Öl- und Gasindustrie beispielsweise, die lange Zeit von Vorschriften und ständigen Veränderungen der Branchen- und Marktanforderungen abhängig war, ist die Analyse von Klimarisiken heute eine Frage des Überlebens.
Quantifizierung der Ungewissheit
Energieunternehmen investieren zunehmend in erneuerbare Energien, um Risiken zu reduzieren. Die Schwerindustrie beziehungsweise Unternehmen, die im Infrastrukturbereich mit Industriezweigen zusammenarbeiten, die nur schwer veränderbar sind, wie Stahl, Zement und Luftfahrt, sind ebenfalls erheblichen klimabedingten Risiken ausgesetzt. Häufig sind auch Infrastrukturanlagen und ihre Lieferketten stark betroffen, und eine einfache Reinvestition in nachhaltigere Anlagen ist nicht immer möglich.
Die genannten Sektoren können von Szenarioanalysen profitieren, die mittels virtueller Darstellungen physischer Vermögenswerte, sogenannter digitaler Zwillinge, oder datengesteuerter Lösungen unterstützt werden. Diese können kontinuierlich oder periodisch mit Echtzeitdaten aktualisiert werden. Durch effektive Simulationen können Unternehmen die kritischsten Ungewissheiten identifizieren und den verschiedenen Szenarien hohe oder geringe Wahrscheinlichkeiten zuordnen. In der Energiewirtschaft können Unsicherheiten beispielsweise mit Änderungen bei den Kohlenstoffbestimmungen und der Rentabilität von erneuerbaren Energien zusammenhängen, sodass sie gegenüber konventionellen fossilen Brennstoffen wettbewerbsfähig bleiben. Anhand von Unsicherheitsanalysen können Geschäftsführer entscheiden, wie sie ihre Ressourcen am besten einsetzen, potenzielle Bereiche für die Erkundung neuer Wettbewerbsmöglichkeiten aufzeigen und die zu erwartenden finanziellen Auswirkungen ermitteln. Digitale Zwillinge und datengesteuerte Lösungen ermöglichen so die Quantifizierung der wahrscheinlichsten Szenarien, was versteckte Risiken und Chancen aufdecken kann.
Talent und Informationen optimal nutzen
Für präzise Klimarisikoanalysen zur Unterstützung der strategischen Entscheidungsfindung ist eine Kombination aus Technologie, Daten und Fachwissen erforderlich.
Geschäftsführer müssen daher mit Expert:innen zusammenarbeiten, die sich mit dem Geschäft und der Umwelt auskennen und in der Lage sind, Daten zu sammeln und zu interpretieren sowie wertvolle und valide Erkenntnisse aufzuzeigen. Diese Expert:innen sollten geschäftliche Erfahrung mit wissenschaftlichem Wissen kombinieren können, um verschiedene Gebiete und Fachbereiche zu steuern. Dabei sind weniger Spezialist:innen als vielmehr Generalist:innen gefragt.
Umweltexpert:innen sind mittlerweile weltweit so stark gefragt, dass es schlichtweg nicht genügend dieser Fachleute gibt, um alle Stellen zu besetzen, die ihr Fachwissen erfordern.
Um den Mangel an Ingenieur:innen und Expert:innen im Bereich der Umweltinfrastruktur zu beheben, ist eine Kombination aus KI-gesteuerter Automatisierung, digitaler Zwillingstechnologie und verbesserten Schulungsprogrammen erforderlich. Durch den Einsatz dieser Werkzeuge können Unternehmen Wissenslücken schließen, Arbeitsabläufe optimieren und Fachwissen weltweit zugänglicher machen.
Zwar stehen heute mehr Daten als je zuvor zur Verfügung, aber diese sind oftmals in verschiedenen Formaten, Speicherorten und Fachbereichen innerhalb der Lieferketten isoliert. Durch digitale Zwillinge auf offenen Plattformen können Daten simuliert, zusammengeführt, visualisiert und analysiert werden, wodurch datenzentrierte Ansätze gefördert und Datensilos überwunden werden. Auf dieser Idee basiert das Start-up ClimaTwin, aufgebaut auf iTwin, der offenen Plattform für digitale Zwillinge von Bentley. ClimaTwin verbindet komplexe Klimamodelle und digitale Zwillinge für Infrastruktur, um Risikoerkennung und -verwaltung (Risk Intelligence) zu ermöglichen sowie Anpassungsmaßnahmen zu beurteilen.
Technologien, die Unternehmen nicht nur in die Lage versetzen, verschiedene Datenbestände zu sammeln, sondern diese auch sinnvoll zu integrieren, werden zur strategischen Entscheidungsfindung beitragen, auch wenn der Klimawandel immer komplexere Probleme schafft, die es zu lösen gilt.
Auf dem Weg zu Netto-Null
Um dem Netto-Null-Ziel näherzukommen, benötigen Geschäftsführer angesichts der dynamischen Entwicklungen Unterstützung bei der Lösung regulatorischer Ineffizienzen, der Zusammenfassung ungleicher Daten, der Projektverwaltung und der Bestimmung der besten Vorgehensweise.
Digitale Zwillinge bieten ein leistungsfähiges Werkzeug zur Bewältigung dieser Herausforderungen. Diese Lösungen ermöglichen es, vorhandene Fähigkeiten in Szenarioanalysen zu nutzen, Kommunikations- und Informationsbarrieren zu überwinden sowie auf weltweites Fachwissen und Daten zuzugreifen – und zwar auf einer offenen, interoperablen und kollaborativen Plattform.
Mehr denn je müssen sich Geschäftsführer und CEOs auf diese Möglichkeiten durch Daten und Technologien verlassen, um die notwendigen Veränderungen und strategischen Umstellungen vorzunehmen, die ihr Unternehmen klimaresilient machen und ihnen einen echten Wettbewerbsvorteil verschaffen.




