Mit Corporate Citizenship erfolgreich durch die Transformation

Als das Recherchekollektiv Correctiv am 10. Januar 2024 über ein Treffen von rechtsextremen Aktivisten, Politikern und Unternehmern berichtet, sitzt der Schock zunächst tief. Zwar erstarkt die rechtsextreme Szene in Deutschland schon länger, aber die konkrete Diskussion über die Vertreibung von Millionen Menschen führt die Fragilität von Demokratie und Menschenrechten deutlich vor Augen. Wenn sie nicht selbst betroffen sind, dürften beinahe alle Menschen, die in Deutschland leben, jemanden kennen, die oder der bei einer Umsetzung dieser Pläne deportiert würde. Seit der Veröffentlichung protestieren Zehntausende gegen den Rechtsextremismus.

Reaktionen auf die Recherchen gab es aber nicht nur aus der Zivilgesellschaft. Eingeladen zu dem Treffen hatte auch ein Gesellschafter der Burgerkette „Hans im Glück“, die sich – genau wie der Lieferdienst „Pottsalat“ – aufgrund der Berichte von ihm trennte. Beide Unternehmen pflegen ein Image von Achtsamkeit und Offenheit, das sich mit Deportationsplänen offenkundig nicht vereinbaren lässt.

Es mag eine Zeit gegeben haben, in der es Unternehmen mit dem Leitspruch von Milton Friedman – „the business of business is business“ – hätten halten können. Es hätte halbherzige Erklärungen gegeben, dass die Einladung zur Veranstaltung eine private Sache sei und dies weder im Auftrag noch im Namen des Unternehmens geschehen sei. Aber so eine Trennung zwischen Geschäftstätigkeit und gesellschaftlich relevanten und debattierten Themen lässt sich nicht mehr aufrechterhalten. Die Gesellschaft ist im Umbruch, und Unternehmen müssen Verantwortung für das Gelingen der Transformation übernehmen.

Neue Ansprüche, neuer Ansatz

Klassische CSR-Kampagnen reichen heute nicht mehr aus, um die „license to operate“ eines Unternehmens zu erhalten. Stattdessen wird die Definition, Umsetzung und Kommunikation einer Corporate Citizenship geschäftskritisch. Sie verankert die neuen Herausforderungen und Chancen, die durch die derzeitige Transformation der Gesellschaft entstehen, in Strategie und Kommunikation und etabliert Verantwortung als Managementprinzip.

Corporate Citizenship bedeutet, dass ein Unternehmen als verantwortlicher Teil der Gesellschaft begriffen und geführt wird. Sie bedarf der umfassenden Analyse sowie der strategischen Ausrichtung auf Nachhaltigkeit und eines Reportings über die gesamten Auswirkungen der Tätigkeit eines Unternehmens auf die Gesellschaft. Doch während so gut wie alle Unternehmen „Nachhaltigkeit“ und „Verantwortung“ als zentrales Element ihrer Geschäftstätigkeit beanspruchen, unterscheidet sich die Umsetzung deutlich.

Dabei spielt die Branche oder Größe eines Unternehmens keine Rolle. Entscheidend ist, ob ein Unternehmen die Handlungsfelder identifiziert, in denen seine Tätigkeit Auswirkungen auf die Gesellschaft hat, und wie gut es ihm gelingt, einen möglichst positiven und wertschöpfenden Effekt als Maxime in die Geschäftstätigkeit zu integrieren. FleishmanHillard Germany setzt sich intensiv mit der Corporate Citizenship verschiedener Unternehmen auseinander und hat die Ergebnisse in einer neuen Studie zusammengefasst.

Corporate Citizenship als Praxis

Eines der Unternehmen, das eher wenig darüber kommuniziert, aber Verantwortung in allen relevanten Handlungsfeldern demonstriert, ist Santander, eine global agierende Bank mit Sitz im spanischen Boadilla del Monte, einem Vorort von Madrid. Das Unternehmen ist einer der größten Finanzdienstleister weltweit. Santander zeigt in seinen Reportings seinen Einfluss auf Ökologie und Soziales auf und demonstriert, wie es Prinzipien der guten Unternehmensführung umsetzt und wie dabei Wertschöpfung gesichert wird. Dabei beschränkt sich Santander nicht auf seine Berichtspflichten, sondern setzt sich messbare Ziele in den relevanten Handlungsfeldern, auch wenn diese über das rein rechtlich Geforderte hinausgehen.

Im Gegensatz dazu finden sich Unternehmen, die verantwortliches Handeln und Nachhaltigkeit lediglich als Marketingbegriffe verwenden. Ein Beispiel dafür ist Ryanair, eine der größten Low-Cost-Airlines in Europa mit Sitz im irischen Swords, einem Vorort von Dublin. Als Fluglinie hat das Unternehmen zweifelsfrei seinen größten gesellschaftlichen Effekt im Bereich der Ökologie. Hier bezeichnet man sich zwar offensiv als „greenest and cleanest airline in Europe“, setzt zur Begründung aber insbesondere auf Offsetting-Maßnahmen, ohne auf die massive Kritik daran einzugehen. Der tatsächliche Effekt des Unternehmens spielt eine untergeordnete Rolle – insbesondere in den weiteren Handlungsfeldern, also in Dimensionen wie Soziales, Governance und Politik.

Andere Unternehmen wenden ihre Corporate Citizenship selektiv an. Ein Beispiel dafür ist LVMH. Der französische Luxusgüterkonzern mit Sitz in Paris gilt als einer der weltweit führenden Anbieter von Mode, Lederwaren, Parfums, Kosmetik, Uhren, Schmuck und Spirituosen. Das Unternehmen reagiert auf Entwicklungen mit hoher Sichtbarkeit, wie beispielsweise den Klimawandel, klammert aber andere Handlungsfelder wie die Baumwollproduktion in der chinesischen Provinz Xinjiang aus, die Berichten zufolge auch durch Zwangsarbeit erfolgt, wofür das Unternehmen eigentlich eine große Verantwortung hat.

Eine vierte Gruppe von Unternehmen begrenzt sich auf das, was notwendig ist, um rechtlichen Anforderungen zu genügen. Dies zeichnet sich häufig in umfassenden Berichtstätigkeiten ab, die allerdings von keiner strategischen Integration begleitet werden. Hier kann beispielsweise das britische Energieunternehmen BP genannt werden, das zu den größten Öl- und Gasunternehmen der Welt zählt. Zwar setzt die Firma mit Sitz in London verstärkt auf erneuerbare Energien, weist aber immer wieder Inkonsistenzen zwischen Zielen und Maßnahmen auf. Dies führte auch dazu, dass Ziele über die Zeit abgeschwächt wurden.

Für nachhaltigen Unternehmenserfolg

Das Modell der Corporate Citizenship eröffnet für Unternehmenslenker eine Perspektive, mit der ihr Unternehmen sich innerhalb der Gesellschaft als Akteur definieren und positionieren kann. Sie ermöglicht, bereits im Vorfeld reputative, moralische, politische und vor allem auch langfristige ökonomische Risiken zu erkennen. Dazu bedarf es einer holistischen Perspektive auf unternehmerische Verantwortung. Eine solche setzt nicht bei Themen an, die derzeit besonders diskutiert werden, sondern bei Themen, bei denen ein Unternehmen eine besonders große Auswirkung auf die Gesellschaft hat. Eine solche Perspektive muss ein Unternehmen vollständig durchdringen und kann daher auch nicht an eine Abteilung ausgelagert werden. Unternehmerische Verantwortung ist Führungsaufgabe.

Veränderte Rolle von Unternehmen

Unternehmen bewegen sich nicht in einem abgeschotteten System „Wirtschaft“. Ein Beispiel: Die Entscheidung eines Unternehmens, seine Geschäftstätigkeit etwa in Russland fortzusetzen, mag unter bestimmten Voraussetzungen legal sein, aber das Argument, dass es dabei „nur ums Geschäft“ gehe, zieht nicht. Umgekehrt benötigen Unternehmen auch gesellschaftliche Rahmenbedingungen, in denen sie ihrem Geschäft nachgehen können. So müssen sie sich (auch) im Sinne ihrer Geschäftsinteressen für eine gute Ausbildung der Mitarbeitenden, den Schutz von geistigen und materiellen Werten oder ganz grundsätzlich für Frieden engagieren.

Auch Entwicklungen, die von Unternehmen maßgeblich beeinflusst werden, verlangen eine klare Position – sei es ökologisch bei Klimawandel oder Biodiversität, sei es technologisch wie beim Umgang mit Künstlicher Intelligenz oder politisch durch Geschäftsbeziehungen mit Ländern, die für Angriffskriege und Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind. Gesamtgesellschaftliche Krisenerscheinungen machen eine Abschottung des wirtschaftlichen Systems von anderen Systemen der Gesellschaft heute unmöglich.

Die Krisen der Gegenwart sind dynamisch und komplex. Selbst anscheinend etablierte Strukturen sind in Wirklichkeit volatil: Angesichts dieser Verwerfungen erwarten Stakeholder von Unternehmen Bekenntnisse und proaktives Handeln. Und die zeitlichen Abstände, in denen Fragen nach der Verantwortung von Unternehmen gestellt werden, werden immer kürzer.

FleishmanHillard Germany veröffentlicht im Frühjahr 2024 eine neue Studie zum Thema Corporate Citizenship. Dabei werden global tätige Unternehmen mit Sitz in Europa analysiert. Unter presse@fleishman.com können Sie sich für ein kostenfreies Exemplar der Studie anmelden, die Ihnen nach der Veröffentlichung zugesandt wird.

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