Taxonomie & Co.: Warum Sustainable-Finance-Regularien unverzichtbar sind,
wo Herausforderungen und Chancen für Unternehmen liegen und
was sich 2024 ändert

Die Bedeutung einer nachhaltigen Transformation der globalen Wirtschaft hat in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Die drängenden Herausforderungen des Klimawandels, der Ressourcenknappheit und sozialer Ungleichheit werden immer größer. Wir befinden uns in einem entscheidenden Jahrzehnt, in dem wir uns diesen Herausforderungen stellen müssen. Der Transformationsprozess wird bereits seit einigen Jahren angetrieben: Mittlerweile ist es acht Jahre her, dass das Pariser Klimaschutzübereinkommen und die UN-Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung von Regierungen aus der ganzen Welt unterzeichnet wurden. Die Umsetzung dieser Abkommen erfordert kontinuierliche Anstrengungen, politische Verpflichtungen, technologische Innovationen und nachhaltige Investitionen.

Die Transformation wird in der Europäischen Union insbesondere durch eine Reihe nachhaltiger Finanzregulierungen vorangetrieben, die darauf abzielen, die finanziellen Ströme in Richtung nachhaltiger Investitionen zu lenken. Dem Finanzsystem kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Um die aus der Finanzkrise gezogenen Lehren zu verwerten, wird das Finanzsystem reformiert und kann vor diesem Hintergrund ein Teil der Lösung für eine umweltverträglichere und nachhaltigere Wirtschaft sein. Damit privates Kapital in nachhaltigere Investitionen umgelenkt werden kann, muss das Finanzsystem umfassend umgestaltet werden. Die nachhaltigen Finanzregulierungen spielen also eine entscheidende Rolle bei der Förderung der Nachhaltigkeit in Unternehmen und der gesamten Wirtschaft.

SFDR, Taxonomie, CSRD

Den Rahmen für diese Transformationsprozesse bildet der „EU Action Plan on Sustainable Finance“, der darauf abzielt, die Kapitalflüsse auf nachhaltige Investitionen umzulenken, um ein nachhaltiges und integratives Wachstum zu erreichen und finanzielle Risiken, die sich aus dem Klimawandel, der Ressourcenknappheit, der Umweltzerstörung und aus sozialen Problemen ergeben, zu bewältigen sowie Transparenz und Langfristigkeit in der Finanz- und Wirtschaftstätigkeit zu fördern. Die wesentlichen Eckpfeiler des EU Action Plan on Sustainable Finance sind bereits umgesetzt oder befinden sich in der Umsetzung. Drei wichtige Regularien aus dem EU Action Plan sind die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), die EU-Taxonomie und die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD).

Als erste dieser Regularien wurde die SFDR, auch Offenlegungsverordnung genannt, umgesetzt. Sie nimmt den Finanzdienstleistungssektor in die Pflicht, nachhaltigkeitsbezogene Informationen zu Finanzprodukten transparenter und öffentlich zugänglich zu machen. Damit soll die Verordnung sicherstellen, dass Finanzprodukte, die als „nachhaltig“ vermarktet werden, tatsächlich mit den deklarierten Nachhaltigkeitszielen übereinstimmen.

Doch was bedeutet Nachhaltigkeit? Dieser Frage widmet sich die EU-Taxonomie. Die EU-Taxonomie schafft eine einheitliche Klassifizierung von wirtschaftlichen Aktivitäten, die als ökologisch nachhaltig gelten. Unternehmen müssen ihre Aktivitäten anhand dieser Taxonomie bewerten und transparent kommunizieren, inwieweit sie mit den Nachhaltigkeitskriterien übereinstimmen. Eine Aktivität kann als nachhaltig eingestuft werden, wenn sie einen Beitrag zu einem der sechs Umweltziele leistet: Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme. Die anderen Umweltziele dürfen dabei nicht erheblich beeinträchtigt werden und soziale Mindeststandards müssen erfüllt sein.

Um die Informationen der Taxonomie sowie weitere nachhaltigkeitsbezogene Informationen für die Öffentlichkeit verfügbar zu machen, kommt die dritte regulatorische Anforderung, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), ins Spiel. Die CSRD erweitert die Berichtspflichten für Unternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeitsinformationen. Unternehmen müssen detaillierte Nachhaltigkeitsberichte erstellen, die eine umfassende Offenlegung von ESG-Informationen enthalten. Dadurch wird Transparenz geschaffen, und es wird einfacher, die Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen zu bewerten und vergleichen.

Somit ergänzen sich die SFDR, die Taxonomie und die CSRD, um einen kohärenten Rahmen für nachhaltige Finanzen und Unternehmensberichterstattung in der EU zu schaffen.

Indem sie Transparenz, Vergleichbarkeit und Echtheit von Nachhaltigkeitsinformationen fördern, soll das Gesamtsystem dazu beitragen, eine nachhaltigere Wirtschaft zu fördern und diese auf ihrem Weg zu den Nachhaltigkeitszielen, wie dem Pariser Abkommen und der UN-Agenda für 2030, zu unterstützen.

Es ist komplex

Die zugrundeliegenden Anforderungen sind komplex. Die Umsetzung der neuen Regularien erfordert möglicherweise zusätzliche Investitionen in Technologien, Prozesse und Mitarbeiterkompetenzen.

Um die Anforderungen der Taxonomie zu erfüllen, müssen Unternehmen ihre sogenannte „Taxonomiekonformität“ errechnen. Dazu müssen sie prüfen, welcher prozentuale Anteil ihrer Umsätze, Betriebs- und Investitionsausgaben die Anforderungen der Taxonomieverordnung erfüllt und somit, umgangssprachlich ausgedrückt, „grün“ ist. Zunächst wurde die Taxonomie schrittweise eingeführt. Im Jahr 2023 mussten Unternehmen die Taxonomiekonformität für die Umweltziele 1 und 2 der oben genannten sechs Umweltziele für das Geschäftsjahr 2022 offenlegen, also für die Ziele „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“. Für viele Unternehmen stellt die Berechnung dieser Werte eine große Herausforderung dar, da die Erhebung der dafür notwendigen Daten neu und aufwendig ist. Diese Herausforderung wird sich zukünftig erhöhen. Mit der Veröffentlichung des Sustainable Finance Package vom 13.  Juni 2023 werden diese Offenlegungen zukünftig erweitert: An den bisherigen Kriterien für die Umweltziele  1 und  2 werden Änderungen vorgenommen, die zukünftig berücksichtigt werden müssen. Zudem wurden neue Wirtschaftsaktivitäten für die Umweltziele  1 und 2 aufgenommen und Taxonomiekriterien für diese neuen Wirtschaftsaktivitäten definiert. Ergänzend zu den Änderungen und Ergänzungen zu den Umweltzielen  1 und  2 werden Taxonomiekriterien für die Umweltziele 3 bis 6 definiert.

Unternehmen sollten sich darauf einstellen, dass die EU-Taxonomie dynamisch bleibt. Die EU-Kommission plant, die Abdeckung der Wirtschaftsaktivitäten zu erhöhen. Das ist auch wichtig, denn aktuell sind nicht alle Sektoren abgedeckt. Um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, ist allerdings die Transformation der gesamten Wirtschaft von großer Bedeutung. Gleichzeit muss die EU-Taxonomie regelmäßig überprüft und aktualisiert werden, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse und neue Technologien zu berücksichtigen.

Dynamisch sind die Entwicklungen auch bei der CSRD. In Bezug auf die nachhaltige Transformation der Wirtschaft leistet die CSRD einen wichtigen Beitrag, indem sie Unternehmen dazu anhält, systematisch und transparent über ihre sozialen, ökologischen und governancebezogenen Leistungen und Auswirkungen zu berichten. Dies könnte den Druck auf Unternehmen erhöhen, ihre Nachhaltigkeitsleistung zu verbessern und langfristige nachhaltige Geschäftsmodelle zu entwickeln. Die CSRD baut auf der früheren nicht-finanziellen Berichterstattungsrichtlinie, der Non-Financial Reporting Directive (NFRD), auf und zielt darauf ab, die Transparenz und Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeitsinformationen von Unternehmen zu verbessern. Die CSRD bringt einige wichtige Änderungen im Vergleich zur vorherigen Richtlinie NFRD mit sich, wie zum Beispiel ein erweiterter Geltungsbereich und Berichtsrahmen, eine standardisierte Berichterstattung sowie die Digitalisierung der Informationen. Die erste Berichterstattung nach den neuen Anforderungen gilt für das Geschäftsjahr 2024 und wird im Jahr 2025 veröffentlicht. Im Jahr 2026 müssen weitere große Unternehmen berichten, ab 2027 kapitalmarktorientierte KMUs sowie ab 2029 Unternehmen aus Drittländern, die gewisse Grenzen überschreiten.

Es wurde viel darüber diskutiert, welche nachhaltigkeitsbezogenen Informationen unter der CSRD offengelegt werden müssen. Die EU-Kommission hat Berichtsanforderungen und Datenpunkte zu den Themen Umwelt, Soziales und Governance veröffentlicht. Unternehmen müssen nicht zu allen diesen Datenpunkten verpflichtend berichten. Welche Datenpunkte veröffentlicht werden, unterliegt einer Wesentlichkeitsanalyse. Im Rahmen der Wesentlichkeitsanalyse identifizieren Unternehmen, welche Auswirkungen die Geschäftsaktivitäten auf die Gesellschaft und Umwelt haben und welche finanziellen Risiken und Chancen dadurch entstehen. Damit spielt die Wesentlichkeitsanalyse eine große Rolle für die Unternehmen. Dabei können sie sich durch eine Stakeholderanalyse absichern. Eine gründliche Identifizierung der Stakeholder oder die Analyse ihrer Bedürfnisse hilft Unternehmen dabei, zu ermitteln, welche Nachhaltigkeitsaspekte wesentlich sind. Was im ersten Moment wie ein sehr aufwendiger Prozess klingt, kann auch als Chance für jedes Unternehmen gesehen werden, das Informationen aus den Stakeholdergesprächen strategisch nutzt. Die Wesentlichkeitsanalyse verpflichtet Unternehmen, sich mit der Nachhaltigkeit des eigenen Geschäftsmodells auseinanderzusetzen. Nachhaltige Geschäftspraktiken können dazu beitragen, Risiken im Zusammenhang mit ESG-Faktoren zu minimieren und die langfristige Stabilität des Unternehmens zu fördern.

Gleichzeitig führt die Wesentlichkeitsanalyse dazu, dass nicht alle Unternehmen die gleichen Datenpunkte offenlegen, was zu einer mangelnden Vergleichbarkeit führt. Das stellt vor allem den Finanzsektor vor Herausforderungen. Das zeigt sich anschaulich an der Berücksichtigung der sogenannten „nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen“ (Principal Adverse Impacts, PAI) im Rahmen der SFDR. PAI sind negative Auswirkungen von Investitionen auf Umwelt, Soziales und Governance. Diese umfassen zum Beispiel finanzierte Treibhausgasemissionen, Emissionen in Wasser gemessen in Tonnen oder das unbereinigte geschlechterspezifische Verdienstgefälle der finanzierten Unternehmen. Das sind Informationen, die die meisten Unternehmen aktuell nicht zur Verfügung stellen und die mit den neuen Berichtsanforderungen unter der CSRD nur berichtet werden, wenn sie als wesentlich eingestuft wurden.

Neue Standards

Das Risiko einer mangelnden Datenverfügbarkeit und Vergleichbarkeit besteht auch für Unternehmen aus Ländern außerhalb der EU, die teilweise nicht unter die CSRD fallen. Aber nicht nur in der EU, sondern auch auf internationaler Ebene wurden Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung erarbeitet. Das International Sustainability Standards Board (ISSB) hat am 26. Juni 2023 die ersten beiden Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung veröffentlicht – den IFRS S1 mit generellen Anforderungen und den IFRS S2 mit klimarelevanten Offenlegungen. Die Standards treten zum 1. Januar 2024 in Kraft, können jedoch freiwillig bereits früher angewandt werden. Sie sind nur verpflichtend anzuwenden, sofern von den regionalen Gesetzgebern vorgegeben. Bisher gibt es in Europa keine Verpflichtung zur Anwendung der Standards. Im Gegensatz zu den Datenanforderungen unter der CSRD beschränken sich die Berichtsstandards des ISSB auf das Thema Klima. Unternehmen in der EU können die regulatorischen Anforderungen daher auch als Chance interpretieren, sich nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu sichern. Sie können sich als Vorreiter positionieren und möglicherweise von einem steigenden Interesse seitens der Kundinnen und Kunden sowie der Investorinnen und Investoren profitieren.

Ein weiterer Fokus in der Regulierung ergibt sich aus der Berücksichtigung von menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten in der Lieferkette. Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz gilt seit dem 1. Januar 2023 für Unternehmen mit über 3.000 Mitarbeitenden. Die Grenze wird ab 1. Januar 2024 auf 1.000 Mitarbeitende abgestuft. Noch mehr Unternehmen werden von der Umsetzung der europäischen Lieferkettenrichtlinie, der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), betroffen sein. Diese soll laut Vorschlag der EU-Kommission ab 2025 für EU- und ausländische Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden und mehr als 150 Millionen Euro jährlichen Nettoumsatz gelten (Stand Mitte August 2023). Unternehmen in Risikosektoren, unter anderem im Textil-, Landwirtschaft- und Rohstoffsektor, müssen sich auf niedrigere Grenzen einstellen. Mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz können sich einige deutsche Unternehmen bereits auf die Anforderungen aus der CSDDD vorbereiten. Mit der CSDDD sollen die Pflichten auf die gesamte Lieferkette ausgeweitet, eine zivilrechtliche Haftung und umfassendere Definitionen zum Beispiel in Bezug auf den Schutz der biologischen Vielfalt eingeführt werden.

Vom Markt profitieren

Insgesamt zeigt sich, dass die Verpflichtungen und Datenanforderungen auch für Unternehmen umfangreicher werden. Sie betreffen nicht nur das Unternehmen, sondern die gesamte Liefer- und Wertschöpfungskette. Das beschäftigt viele Nachhaltigkeitsabteilungen und sorgt für viel Aufwand und Frustration. Inmitten dieser steigenden Anforderungen erlebt der Markt eine Dynamik in der Regulierung, denn das Thema Nachhaltigkeit ist komplex und vielseitig. Während dieser Übergangsphase ist vor allem wichtig, die Motivation nicht zu verlieren. Die Regularien bieten eine klare Richtung für Unternehmen und Investorinnen und Investoren und schaffen Anreize für nachhaltige Geschäftspraktiken.

Den Herausforderungen stehen daher Chancen gegenüber, von einem wachsenden Markt für nachhaltige Produkte und Dienstleistungen zu profitieren und zu einer resilienten und zukunftsfähigen Wirtschaft beizutragen. Mit einer klaren Ausrichtung auf Nachhaltigkeit können Unternehmen für Investorinnen und Investoren attraktiver werden und leichter Zugang zu nachhaltigen Finanzierungsquellen erhalten. Eine ehrliche und offene Kommunikation zwischen Unternehmen und dem Finanzmarkt ermöglicht, Herausforderungen und Geschäftsmodelle von Unternehmen besser zu verstehen, gemeinsam innovative Lösungen für die nachhaltige Transformation zu finden und Greenwashing zu vermeiden. Die Finanzierung nachhaltiger Geschäftspraktiken ist für die Transformation der Wirtschaft, zur Erfüllung des Pariser Klimaabkommens und der UN-Agenda 2030 dringend notwendig.

Aktuelle Beiträge