JP Feidner ist Managing Director und Vice President von Equinix in Deutschland und leitet die Geschäfte in Frankfurt, München, Hamburg und Düsseldorf. Mit über einem Jahrzehnt Erfahrung bei Equinix spielt er eine zentrale Rolle in der Positionierung des Unternehmens als führender Anbieter für Interconnection und nachhaltiger digitaler Infrastruktur, wobei er 16 Rechenzentren mit nahezu 200 MW IT-Kapazität betreut. Als Vorsitzender der Bitkom e.V. Arbeitsgruppe Rechenzentren gestaltet er aktiv die Digitale Infrastruktur und Energiepolitik Deutschlands mit.
Herr Feidner, es wird prognostiziert, dass KI-Rechenzentren bis 2030 elfmal mehr Strom verbrauchen. Equinix hat 2024 bereits eine Energieabdeckung mit erneuerbaren Ressourcen von 96 Prozent erreicht, aber können KI-Anwendungen wirklich mehr Emissionen einsparen, als sie verursachen?
Jens-Peter Feidner: Wenn KI richtig eingesetzt wird, kann sie deutlich mehr Emissionen einsparen, als sie selbst verursacht. Sie ermöglicht präzisere Prognosen, effizientere Produktionsprozesse, intelligente Energienetze und optimierte Lieferketten. Viele unserer Kunden nutzen KI gezielt, um den CO₂-Ausstoß, den Energieverbrauch und den Materialeinsatz zu senken (oft mit zweistelligen Prozentwerten). Entscheidend ist dabei, dass diese Anwendungen auf nachhaltiger Infrastruktur laufen. Unsere Rechenzentren in Deutschland werden bereits seit 2014 vollständig mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen betrieben. Dies belegen sogenannte Herkunftsnachweise – Grünstromzertifikate, die sicherstellen, dass der bezogene Strom tatsächlich aus nachhaltiger Erzeugung stammt. Insgesamt haben wir 2024 eine globale Abdeckung von 96 Prozent erneuerbarer Energie erreicht und investieren kontinuierlich in energieeffiziente Systeme, darunter Liquid Cooling und Power Purchase Agreements. Wenn KI auf dieser Grundlage genutzt wird, kann sie ein massiver Hebel für Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung sein, und zwar sowohl in der Industrie als auch in den Bereichen Mobilität, Forschung und Verwaltung.
Greenpeace warnt vor „umweltschädlichen KI-Anwen dungen“ und fordert 100 Prozent erneuerbare Energie für KI-Infrastruktur. Als Infrastruktur-Anbieter: Wie schaffen Sie es, Ihre Nachhaltigkeitsziele zu erfüllen – und die Ihrer Kunden?
Jens-Peter Feidner: Wir haben uns verpflichtet, bis 2030 weltweit 100 Prozent erneuerbare Energie für unsere Infrastruktur zu nutzen. In Deutschland schaffen wir dies bereits seit 2014. Und bereits heute sind unsere Rechenzentren weltweit zu 96 Prozent mit erneuerbarer Energie betrieben, was unseren Kunden hilft, ihre eigenen CO2 Emissionen zu reduzieren. Viele der führenden Cloud- und KI-Anbieter wählen Equinix genau deshalb – weil sie hier eine Infrastruktur finden, die Sicherheit, Performance und Nachhaltigkeit vereint.
Ein zentraler Hebel dafür ist die geteilte Nutzung unserer Infrastruktur. Mit unserer neuen Distributed AI Infrastructure können Unternehmen ihre KI-Workloads effizient, skalierbar und ressourcenschonend über ein globales Netzwerk aus Rechenzentren verteilen. Statt eigene, energieintensive Hardware vorzuhalten, profitieren Kunden von einer gemeinsam genutzten Infrastruktur, die bereits auf Energieeffizienz und Nachhaltigkeit ausgelegt ist.
Diese Form der gemeinsamen Nutzung reduziert den ökologischen Fußabdruck erheblich und schafft gleichzeitig Zugang zu leistungsfähiger KI-Infrastruktur – auch für kleinere Unternehmen oder Forschungseinrichtungen. So wird Nachhaltigkeit zur integralen Voraussetzung für den breiten Einsatz von KI. Mit Initiativen wie dem „Climate Neutral Data Centre Pact“ und Bitkom arbeiten wir zudem an verbindlichen Branchenstandards, um Nachhaltigkeit zur Grundvoraussetzung digitaler Innovation zu machen.
Liquid Cooling, optimierte Server-Auslastung, KI-gesteuerte Kühlung – welche Technologien bringen den größten Nachhaltigkeitseffekt?
Jens-Peter Feidner: Den größten Effekt erzielt natürlich die Kombination aus allen drei Ansätzen.
KI-basierte Steuerungssysteme, wie wir sie mit Partnern wie etalytics einsetzen, reduzieren den Energieverbrauch für Kühlung um bis zu 30 Prozent. Sie optimieren dazu Luftströme, Temperaturen und Lastverteilungen dynamisch. Liquid Cooling ist besonders relevant für KI-Workloads mit hoher Dichte: Es ermöglicht, mehr Rechenleistung auf kleinerem Raum bereitzustellen und gleichzeitig den Gesamtenergiebedarf zu senken.
Die kontinuierliche Optimierung der Serverauslastung ergänzt diesen Ansatz: Sie sorgt dafür, dass vorhandene Ressourcen maximal effizient genutzt werden und keine unnötige Energie verschwendet wird, etwa durch Leerlaufzeiten oder ineffiziente Verteilung von Workloads. Für uns ist Nachhaltigkeit keine Einzellösung, sondern das Ergebnis einer intelligent vernetzten Systemarchitektur, bei der Technologie, Daten und Betrieb ineinandergreifen. Nur durch das Zusammenspiel dieser Innovationen lassen sich die Anforderungen moderner KI-Infrastrukturen mit den Zielen der Dekarbonisierung und Energieeffizienz in Einklang bringen.
Aktuelle Forschung zeigt: KI-Innovation und Nachhaltigkeitsexpertise werden zu selten verknüpft. Bei Equinix sitzt beides unter einem Dach. Wo sehen Sie die größten Synergien und wo unvermeidbare Zielkonflikte?
Jens-Peter Feidner: Bei Equinix sind KI und Nachhaltigkeit keine getrennten Silos, sondern zwei Seiten derselben Innovationsstrategie. KI hilft uns dabei, Nachhaltigkeit messbar zu verbessern. So analysieren wir beispielsweise Energieflüsse, prognostizieren Wartungsbedarfe und optimieren Auslastungen. Gleichzeitig investieren wir in die Forschung zu ressourcenschonen den Materialien, Abwärmenutzung und CO₂-Reduktion. Ein konkretes Beispiel ist unsere Zusammenarbeit mit dem Darmstädter Energy-Intelligence-„Start-up“ etalytics: Deren KI-basierte Kühlungslösung konnte im Frankfurter Rechenzentrum FR6 die Energieeffizienz um bis zu 9 Prozent steigern und den Energieverbrauch der Kühlsysteme potenziell um fast die Hälfte reduzieren. Ein wichtiger Schritt, um CO₂-Emissionen weiter zu senken und unsere Energieeffizienz kontinuierlich zu verbessern. Zielkonflikte entstehen dort, wo steigende Rechenleistung auf begrenzte Energie- und Flächenressourcen trifft. Wir sehen dies jedoch als Innovationsanreiz, aber der Netzausbau muss beschleunigt werden, damit Deutschlands Wirtschaft wettbewerbsfähig bleibt.
Bei Equinix arbeiten unsere Experten gemeinsam an Lösungen, denn nachhaltige KI-Infrastruktur gelingt nur im Zusammenspiel von Technologie, Verantwortung und interdisziplinärer Zusammenarbeit.
Was braucht es, damit gemeinsame Potentiale übergreifend mehr genutzt werden?
Jens-Peter Feidner: Drei Dinge sind dafür entscheidend: Daten, Dialog und Durchsetzung. Erstens benötigen wir verlässliche und vergleichbare Nachhaltigkeitsdaten, denn Transparenz ist die Grundlage für Verbesserungen. Zweitens müssen die Zusammenarbeit zwischen Energieversorgern, Netzbetreibern, Rechenzentren und Industrieunternehmen intensiviert und neue Wege gefunden werden. Nachhaltige Digitalisierung ist keine Einzelaufgabe. Und drittens braucht es eine realistische Regulierung, die Innovation ermöglicht und nicht behindert. Wenn wir beispielsweise KI einsetzen, um die Energieeffizienz zu erhöhen, sollte dies positiv berücksichtigt und nicht nur auf starre Kennzahlen geachtet werden. Konkret ist der PUE-Wert des Energieeffizienzgesetzes blind gesetzt, ohne Auslastung und Nutzung der jeweiligen Rechenzentren zu berücksichtigen. Nicht jedes RZ ist gleich, genauso wie Kraftfahrzeuge nicht gleich sind, das kann vom Kleinwagen bis zum 18t Truck alles sein – Gleiches gilt für die verschiedenen Rechenzentren.
Als Teil deutscher und europäischer Initiativen setzen wir uns dafür ein, dass Politik, Wirtschaft und Wissenschaft enger verzahnt zusammenarbeiten, um das volle Potential nachhaltiger KI auszuschöpfen.
Als Bitkom-Arbeitsgruppen-Vorsitzender gestalten Sie deutsche Digitalpolitik mit. Die neue Regierung kündigt „praktische Interpretation“ der Rechenzentrumsregulierung an. Was heißt das konkret?
Jens-Peter Feidner: Eine „praktische Interpretation“ bedeutet, dass die Nachhaltigkeitsziele zwar ambitioniert, aber technisch und wirtschaftlich umsetzbar sein müssen. Im Koalitionsvertrag der 21. Legislaturperiode hat die Bundesregierung angekündigt, Deutschland als führenden Rechenzentrumsstandort zu stärken – mit einer leistungsfähigen, nachhaltigen und souveränen digitalen Infrastruktur. Rechenzentren gelten dabei als Schlüssel für digitale Souveränität und sollen als „Leuchtturm Europas“ positioniert werden.
Damit diese Ziele Realität werden, muss Regulierung Innovation ermöglichen statt verhindern. Effizienz- und Abwärmeziele müssen im Einklang mit den Standortbedingungen, der Netzverfügbarkeit und der wirtschaftlichen Tragfähigkeit stehen. Wenn eine Kommune beispielsweise über kein Fernwärmenetz verfügt, kann ein Betreiber die Infrastruktur nicht allein errichten. Hier sind pragmatische Lösungen gefragt: regionale Förderprogramme, Übergangsfristen und Kooperationen mit Stadtwerken.
Gleichzeitig braucht die Branche Planungssicherheit. Wer heute investiert, muss wissen, welche Anforderungen morgen gelten werden. Die nationale Rechenzentrumsstrategie bietet die Chance, diese Prinzipien verbindlich zu verankern, beispielsweise durch klare Genehmigungsprozesse, transparente Nachhaltigkeitsanforderungen und eine gezielte Standortentwicklung.
Mit Blick auf die Regulatorik übergreifend: Bremst weitere Verschärfung die Entwicklung, oder braucht die Branche mehr Druck?
Jens-Peter Feidner: Wir brauchen klare Regeln, aber keinen Bremsklotz. Laut Koalitionsvertrag sind die digitale Infrastruktur und damit auch Rechenzentren zentrale Bausteine für Deutschlands digitale Souveränität. Die Branche steht bereits seit Längerem unter Innovationsdruck: Unsere Kunden fordern grüne Infrastruktur, Energieeffizienz und CO₂-Transparenz. Was fehlt, sind nicht strengere Vorgaben, sondern bessere Rahmenbedingungen, beispielsweise schnellere Genehmigungsverfahren, planbare Energiepreise und Investitionssicherheit.
Das deutsche Energieeffizienzgesetz fordert ab Juli 2026 mindestens 10 Prozent Abwärmenutzung für neue Rechenzentren, bis 2028 sogar 20 Prozent. Ihre bisherigen Angebote zur Abwärmenutzung stießen auf wenig Resonanz. Wie wollen Sie diese gesetzlichen Vorgaben erfüllen, wenn die Infrastruktur fehlt?
Jens-Peter Feidner: Das Problem ist nicht der Wille, sondern die Anbindung. Wir können zwar Abwärme in ausreichender Menge bereitstellen, ohne die passende Infrastruktur kann diese jedoch nicht genutzt werden. Das zeigen auch unsere Erfahrungen in Frankfurt: Fällt einer der beteiligten Akteure – etwa Stadtwerke, Bauherren oder Netzbetreiber – aus, steht das gesamte Projekt still. Zudem liegen viele der Gebäude, die besonders von Abwärme profitieren würden – etwa Schulen oder öffentliche Einrichtungen –, zu weit entfernt oder sind gar nicht an geeignete Wärmenetze angeschlossen. Selbst dort, wo es Netze gibt, sind diese häufig nicht auf die technischen Anforderungen industrieller Abwärme ausgelegt. Damit die gesetzlichen Vorgaben ab 2026 realistisch erfüllt werden können, braucht es ein Umdenken und klare Anreize, auch von politischer Seite. Eine Vorgabe allein nutzt wenig, wenn die strukturellen Voraussetzungen fehlen. Die Wärmewende kann nur gelingen, wenn Energieversorger, Politik und Betreiber gemeinsam an einem Strang ziehen. Wir sind bereit, unseren Beitrag zu leisten, aber dafür braucht es funktionierende Rahmenbedingungen.
Auch nachhaltige Standortwahl wird regulatorisch gefordert: Grünstrom, Wasserverfügbarkeit, Abwärmenutzung. Plant Equinix eine Nordwanderung von etablierten Hotspots zu wind- und wasserreichen Küstenregionen?
Jens-Peter Feidner: Unsere Standortstrategie orientiert sich an der Nachfrage unserer Kunden, wobei Nachhaltigkeit zunehmend ein entscheidender Faktor wird. Um Latenzzeiten zu minimieren und die Performance geschäftskritischer Anwendungen sicherzustellen, müssen unsere Rechenzentren in der Nähe großer Wirtschaftszentren, Datenquellen und Nutzergruppen positioniert sein. Daher bleiben etablierte Hotspots wie Frankfurt oder München zentrale Standorte, auch wenn sie nicht in wind- oder wasserreichen Küstenregionen liegen. Das zeigt sich besonders deutlich in Frankfurt: Hier hat sich über Jahre eines der wichtigsten digitalen Ökosysteme Europas entwickelt. Der Internetknoten DE-CIX entstand letztlich aufgrund der hohen Konzentration von Rechenzentren und Unternehmen in der Region – und nicht umgekehrt. Heute ist Frankfurt einer der größten digitalen Knotenpunkte und für Branchen wie Finanzen, Industrie und Dienstleistungen unverzichtbar. Diese Ökosysteme erfordern kurze Wege und höchste Konnektivität. Diese Anforderungen lassen sich nicht so einfach an die Küste verlagern.
Selbstverständlich beobachten wir die regulatorischen Entwicklungen sehr genau. Aspekte wie Grünstromversorgung, Wasserverfügbarkeit oder Abwärmenutzung fließen zunehmend in unsere Standortplanung ein. Gleichzeitig prüfen wir fortlaufend, welche Workloads sich sinnvoll in Regionen mit hoher Verfügbarkeit erneuerbarer Energien verlagern lassen, etwa für weniger latenzkritische Anwendungen oder KI-Trainingsprozesse. Die Zukunft liegt in einer intelligenten Verteilung von Rechenleistung: Zentrale Hubs wie Frankfurt für kritische Anwendungen werden durch nachhaltige Edge- oder Hyperscale-Standorte in energie- und ressourcenreichen Regionen ergänzt.
Deutschland investiert 12,9 Milliarden Euro jährlich in Rechenzentren, hat aber nur 610 kW IT-Anschlussleistung pro Milliarde Euro BIP – gering im internationalen Vergleich. Müssen wir die Investitionen auf US- oder China-Niveau anheben, um konkurrenzfähig zu bleiben?
Jens-Peter Feidner: Es geht nicht darum, blind aufzuholen, sondern gezielt zu stärken. Deutschland muss in moderne, resiliente und effiziente Infrastrukturen investieren, und dabei ist es nicht entscheidend, dass die Investitionen höher sind, sondern dass sie besser genutzt werden. Mit unseren Investitionen von über 730 Millionen Dollar bis 2027 tragen wir dazu bei, die digitale Leistungsfähigkeit nachhaltig zu erhöhen. Laut der KPMG-Studie schaffen wir jährlich über 4.400 Arbeitsplätze, generieren 930 Millionen Euro Wirtschaftsleistung und sichern über unsere Kunden sechs Prozent der deutschen Bruttowertschöpfung. Das zeigt: Rechenzentren sind kein Kostenfaktor, sondern ein Wachstumsmotor.
Gleichzeitig müssen wir die Weichen für Datensouveränität stellen. Nur wenn kritische Daten in Deutschland sicher verarbeitet und gespeichert werden, können wir digitale Unabhängigkeit gewährleisten und Vertrauen in die digitale Transformation schaffen. Datensouveränität ist ein entscheidender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit und schützt unsere Werte in einer global vernetzten Wirtschaft.
Nur wenn wir Digitalisierung und Nachhaltigkeit als gemeinsame Investition in die Wettbewerbsfähigkeit begreifen, kann Deutschland an der Spitze bleiben, ohne seine Werte zu kompromittieren.
Die Fragen stellte Maike Weismantel.




