Die Zeit der Freiwilligkeit ist vorbei. Viele Unternehmen handeln nach dem Motto „The business of business is business“. Frei übersetzt dreht sich ihr Unternehmertum in erster Linie um sich selbst und ihren größtmöglichen wirtschaftlichen Erfolg. Aus politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen halten sie sich heraus. Häufig, um durch eine klare Positionierung keine Kund*innen zu vergraulen – oder sie versuchen, nachhaltige Entwicklungen mittels Lobbyarbeit im Sinne des eigenen „Business“ zu beeinflussen. Das betrifft alle Unternehmensgrößen aller Branchen auf allen Kontinenten und ist völlig legal.
Diese Praxis hat allerdings dazu beigetragen, dass wir nun in einer misslichen Lage stecken: Unser Planet ist am Limit; die Folgen von Umweltzerstörung und beschleunigtem Klimawandel sind dramatisch, die Missachtung von Menschenrechten und die Ausbeutung in globalen Lieferketten verschärfen die Ungleichheit zwischen Arm und Reich und sind der Nährboden für weltweite Fluchtbewegungen. Es ist höchste Zeit gegenzusteuern – doch dafür müssen alle an einem Strang ziehen. Das funktioniert nur, wenn es verbindliche Rahmenbedingungen für alle gibt. Die Politik ist daher gefordert, durch ambitionierte und schnell wirksame gesetzliche Regelungen für mehr Nachhaltigkeit in der Wirtschaft zu sorgen. Dies sollten wir von allen Seiten unterstützen, um die globalen Herausforderungen zu lösen und unsere Wirtschaft zukunftsfähig zu machen. Die Zeit dafür ist längst reif.
Teil der Lösung
Die Erkenntnis, dass man als Unternehmen Teil zahlreicher Probleme ist, und daraus eine klare Verantwortung für die eigene Art des Wirtschaftens abzuleiten, sind erste wichtige Schritte zur Lösungsfindung. Wir beobachten, dass viele Unternehmer*innen zwar ein Bewusstsein für die großen ökologischen und sozialen Herausforderungen haben, die im Zusammenhang mit ihrem Unternehmertum stehen. Die Bereitschaft, aktiv Verantwortung zu übernehmen und konkrete Lösungen zu schaffen, ist aber immer noch sehr gering. Stattdessen wird die Energie häufig dafür eingesetzt, entweder den Veränderungsbedarf zu leugnen oder anderen die Verantwortlichkeit dafür zuzuschreiben.
Dass es gelingt, diesen Reflex zu durchbrechen, betrachten wir als Schlüssel zur Transformation unseres Wirtschaftssystems. Unternehmen haben einen bedeutenden Einfluss auf die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen, in denen wir alle leben. Auf der ganzen Welt sind sie wichtige Akteure bei der Umsetzung der 17 nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen. Nicht nur mit den Dienstleistungen und Produkten, die sie herstellen und anbieten, prägen Unternehmen Lebensstandard und Kultur. Mindestens ebenso wichtig ist ihr Einfluss auf Lebensqualität, Wohlstand und Entwicklung all der Menschen, die mit den Unternehmen verbunden sind – eigene Mitarbeitende, aber natürlich auch die Arbeitskräfte in den globalen Lieferketten. Hier entscheidet sich wesentlich, ob Unternehmen einen positiven oder negativen Beitrag zum Weltgeschehen leisten.
Eigenes Engagement
Die Lieferkette unserer Produkte ist komplex, international weit verzweigt und birgt etliche ökologische und soziale Herausforderungen. Wir bei Vaude investieren seit vielen Jahren sowohl personell als auch finanziell in die Entwicklung und Herstellung von umweltfreundlichen Produkten, die unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt werden. Wir setzen dabei auf anerkannte Standards, um eine vergleichbare Systematik, Unabhängigkeit und Transparenz in unserer textilen Lieferkette zu gewährleisten – und gehen freiwillig weit über die gesetzlichen Anforderungen hinaus.
Mangels bestehender Nachhaltigkeitssiegel für Textilien haben wir 2009 mit Green Shape ein eigenes Bewertungssystem und Metasiegel für nachhaltige Produkte entwickelt. Dafür haben wir sehr strenge Kriterien aufgestellt, um den Einsatz von umweltfreundlichen Materialien sukzessive zu erhöhen und gleichzeitig bedenkliche Chemikalien und den Verbrauch von Wasser und Energie zu reduzieren. Die Green-Shape-Anteile in unserer gesamten Bekleidungskollektion haben sich Jahr für Jahr erhöht, in diesem Jahr wurden 90 Prozent erreicht.
Kleiner ökologischer Fußabdruck
Um unseren Beitrag zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels aus dem Pariser Klimaabkommen zu leisten, reduzieren wir unsere CO2– Emissionen gemäß wissenschaftsbasierten Zielen, den sogenannten „Science Based Targets“. Das heißt, wir haben uns unter anderem dazu verpflichtet, unsere Emissionen in der globalen Lieferkette bis 2030 (im Vergleich zu 2019) um 50 Prozent zu reduzieren. Bei uns als Textilunternehmen entsteht der Löwenanteil der Emissionen in der globalen Lieferkette, insbesondere bei der Herstellung der Materialien. Hier haben wir uns zwei große Ziele gesetzt. Zum einen arbeiten wir intensiv daran, den Energieverbrauch bei der Materialherstellung konsequent zu reduzieren und unterstützen dazu unsere Partner beim Aufbau eines Energiemanagements und beim Umstieg auf erneuerbare Energien. Zum anderen arbeiten wir mit Hochdruck daran, dass unsere Produkte bis 2024 größtenteils aus emissionsreduzierten recycelten oder biobasierten Materialien bestehen.
Generell ist es unser Ziel, ressourcenschonend und mit möglichst kleinem ökologischem Fußabdruck zu wirtschaften und zu wachsen. Daher setzen wir uns für eine lange Nutzung unserer Produkte ein, indem wir sie reparabel gestalten und unseren Kunden sowohl einen Reparaturservice als auch Reparaturanleitungen und Ersatzteile zur eigenen Reparatur anbieten. Es ist uns wichtig, unser Wachstum zunehmend vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln. Parallel zu unserem herkömmlichen Geschäftsmodell beschäftigen wir uns daher seit einigen Jahren verstärkt mit alternativen Angeboten und Dienstleistungen, wie zum Beispiel unserem Mietservice Vaude Rent für Outdoorprodukte oder unserer Upcycling-Manufaktur, mit der wir wertvolle Restmaterialien vor der Mülltonne bewahren.
Verantwortung weltweit
Genauso wichtig wie unsere ökologische Verantwortung ist uns die Wahrnehmung unserer sozialen Sorgfaltspflichten. Vaude ist seit 2010 Mitglied bei der Fair Wear Foundation, einem der anerkanntesten und strengsten Standards im Bereich sozialer Verantwortung. Die unabhängige Organisation konzentriert sich hauptsächlich auf die nähende Industrie der Lieferketten, da dort die arbeitsintensiven Prozesse stattfinden. In den sogenannten Brand Performance Checks werden Mitgliedsunternehmen jedes Jahr von Fair Wear überprüft. Wir müssen zum Beispiel nachweisen, dass wir den Produzenten ausreichend Lieferzeit gewähren, dass wir unsere Partner angemessen bezahlen, dass wir Trainingsmaßnahmen zur Verbesserung von Sozialstandards durchführen, und wir müssen auch berichten, wie wir mit konkreten Beschwerden von Mitarbeiter*innen umgehen. Seit 2015 hat Vaude jedes Jahr in Folge den Leader Status erhalten, mit dem die Fair-Wear-Unternehmen auszeichnet werden, die sich außerordentlich für die Einhaltung von Sozialstandards in der Lieferkette engagieren und ein vorbildliches System vorweisen. Wir freuen uns, dass wir über diese Form der partnerschaftlichen Kooperation systematisch und kontinuierlich zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei unseren weltweit agierenden Produzenten beitragen. Parallel dazu unterstützen wir mit eigenen CSR-Mitarbeiter*innen, die in den Produktionsländern tätig sind, Partnerunternehmen der tieferen Lieferkette bei der Implementierung von Sozialstandards.
Gesetze überfällig
Das Prinzip der Freiwilligkeit hat bisher nicht zu einem ausreichenden Engagement der Unternehmen geführt, um flächendeckend einen Beitrag zu den nachhaltigen Entwicklungszielen, zum Pariser Klimaschutzabkommen oder zur Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen leisten zu können. Freiwilliges Engagement in einem kompetitiven System ist mit hohem Aufwand und meist auch mit finanziellen Nachteilen verbunden. Nur mit klaren, grenzübergreifenden gesetzlichen Regelungen gelangen wir zu einem neuen Verständnis für ganzheitliches unternehmerisches Handeln, das in der gesamten Lieferkette Verantwortung für die Menschen und für die Natur beinhaltet. Je mehr Unternehmen sich gemeinsam engagieren, desto größer ist die Hebelwirkung und desto geringer fallen die Kosten und Aufwände für einzelne aus. So wird auch die Grundlage für ein Level Playing Field mit fairen Wettbewerbsbedingungen für alle geschaffen. Daher begrüßen wir das deutsche Lieferkettengesetz als ersten wichtigen Schritt und erachten es als sehr wichtig, dass das geplante EU-Lieferkettengesetz ohne weitere Abstriche baldmöglichst in Kraft tritt. Für absolut notwendig halten wir zudem die geplante Ausweitung der Nachhaltigkeitsberichtspflicht auf deutlich mehr Unternehmen in der EU als bisher. Darin liegt eine große Chance für eine echte nachhaltige Transformation. Die geplante Corporate Social Reporting Directive (CSRD) schafft Transparenz und ermöglicht damit, die ökologischen und sozialen Auswirkungen der Unternehmen zu vergleichen.
Zukunftsrelevanz
Genau das erwarten auch zunehmend die Konsument*innen, die Unternehmen klar in der Verantwortung sehen. Es gibt immer mehr Menschen, die selbst ihren Beitrag dazu leisten möchten, die globalen Probleme einzudämmen. Dazu gehört vor allem auch der Wunsch, nachhaltig zu konsumieren, ohne Mensch oder Natur zu schaden. Unternehmen, die dafür Lösungen bieten und dies transparent kommunizieren, schaffen Vertrauen und erfüllen maßgebliche Bedürfnisse der Menschen.
Nachhaltiges Wirtschaften und den Aufbau nachhaltiger Lieferketten sehen wir daher als zentrale Businesskompetenz: Unternehmen müssen diese Themen professionell beherrschen, um ihre Zukunftsrelevanz zu erhalten. Statt „Business as usual“ gilt es zu erkennen, dass die nachhaltige Ausrichtung einen Gewinn für Menschen und Umwelt, für die Zukunftsfähigkeit des eigenen Unternehmens und für unsere Wirtschaft insgesamt bedeutet.




