Öffnung des Prüfmarkts: Die Reporting Directive der EU als Katalysator des Wandels

Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU wird ab dem Geschäftsjahr 2024 die Transparenz bezüglich nicht-finanzieller Leistungsindikatoren deutlich erhöhen und damit für mehr Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit und auch für europaweit gleiche Wettbewerbsbedingungen sorgen. Nachhaltigkeit ist dann kein „Nice-to-have“ mehr, sondern ein „Must-have“. Die CSRD muss bis zum 6. Juli 2024 in deutsches Recht überführt werden. Ein erster Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz ist in Erarbeitung. Die Zusammenführung von finanziellen und nachhaltigkeitsbezogenen Informationen erfordert auch eine neue Herangehensweise an die Prüfung von Geschäftsberichten. Von einer Liberalisierung des Prüfmarkts, wie in der CSRD angedacht, würden Unternehmen profitieren.

Zukünftig werden deutlich mehr Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsinformationen berichten müssen. Erfasst werden von den neuen Vorschlägen, grob umrissen,

// ab 2024 alle börsennotierten Unternehmen sowie

// ab 2025 große Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden, 40 Millionen Euro Umsatz oder 20 Millionen Euro Bilanzsumme, wenn sie zwei der drei Kriterien erfüllen.

// Ab 2026 müssen auch kapitalmarktorientierte kleine und mittlere Unternehmen berichten, wenn sie zwei der drei Merkmale von 10 Beschäftigten, 350.000 Euro Bilanzsumme und 700.000 Euro Nettoumsatzerlös erfüllen.

// Ab 2028 werden auch Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU berichtspflichtig, wenn sie einen Nettoumsatz von mehr als 150 Millionen Euro erzielen und mindestens eine Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung in der EU haben.

Das heißt: Zukünftig werden knapp 50.000 Unternehmen in Europa ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten berichten müssen. Was und wie zu berichten ist, werden verbindliche Reportingstandards (aktuell in Finalisierung) vorschreiben. Die CSRD sieht für diese Angaben eine Prüfpflicht vor, die für die ersten Unternehmen schon ab dem Berichtsjahr 2024 gilt.

Verschiedene Assurance-Level

Die Prüfung der Nachhaltigkeitsinformationen erfolgt anfänglich mit „begrenzter Sicherheit“. Übersetzt aus der Prüfersprache bedeutet das, dass der Prüfer aufgrund seiner Prüfung keine Anhaltspunkte hat, dass die im Bericht getätigten Aussagen falsch sind. Erst zu einem späteren Zeitpunkt soll mit hinreichender Sicherheit geprüft werden. Aufgrund des unterschiedlichen Assurance-Levels wird keine Vermischung mit dem Bestätigungsvermerk zum Finanzbericht erfolgen. Für den Nachhaltigkeitsbericht wird es in der Mehrzahl der Fälle eine eigene Prüfungsaussage geben. Daraus folgt: Der Prüfer der Finanzberichterstattung muss nicht zwingend auch den Nachhaltigkeitsbericht prüfen.

Gleichwertigkeit der Informationen

Nachhaltigkeitsinformationen müssen laut CSRD in einem separaten Abschnitt im Lagebericht – also einem gesetzlichen Bestandteil des Konzern- oder Jahresabschlusses – wiedergegeben werden. Bisher werden solche Abschlüsse ausschließlich von Wirtschaftsprüfern geprüft. Eine Umsetzung der CSRD alleinig mit der Anpassung der Bilanzrichtlinie und der Abschlussprüferrichtlinie würde die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte ausschließlich auf Wirtschaftsprüfer beschränken. Der gesetzliche Prüfungsauftrag würde alle anderen Prüfdienstleister ausschließen, und der Prüfauftrag wäre den Wirtschaftsprüfern als sogenannte „Vorbehaltsaufgabe“ überantwortet. Das System insbesondere der großen Wirtschaftsprüfer, die sich dafür qualifizieren können, wird einseitig favorisiert und somit das erklärte Ziel der EU-Richtlinie für eine Marktöffnung nicht erfüllt.

Prüfmarkt liberalisieren

Laut der CSRD sollen neben den klassischen Wirtschaftsprüfern auch unabhängige Erbringer von Bestätigungsleistungen („Independent Assurance Services Provider“) Nachhaltigkeitsinformationen bewerten dürfen. Auf diese Weise soll ausdrücklich der Markt für Prüfungsdienstleister liberalisiert und damit die Qualität der Prüfung weiter verbessert und ein offenerer, stärker diversifizierter Prüfungsmarkt erreicht werden. Diese Option sollte auch in Deutschland genutzt werden. Die Länder können selbst entscheiden, ob sie unabhängige Prüfungsdienstleister (IASP) zulassen. Staaten wie Frankreich, Österreich, Italien und Spanien streben dies an.

Die Öffnung des Prüfmarkts für IASP hilft berichtspflichtigen Unternehmen, einen geeigneten Prüfdienstleister zu finden. Die Veröffentlichungs- und Prüfpflichten sowie Prüffristen müssen auch zukünftig, trotz deutlich umfangreicherer Berichterstattung, eingehalten werden. Darüber hinaus müssen, wie geschildert, zukünftig deutlich mehr Unternehmen als bisher berichten. In Summe erfordert das deutlich mehr Prüfungsleistung unter hohem Zeitdruck. Wegen des Mangels an „Nachhaltigkeitsprüfern“ befürchten Experten, dass insbesondere mittelständische Unternehmen nur sehr schwer Prüfungsdienstleister finden, da sich die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften auf die lukrativen Großunternehmen konzentrieren. Durch den Ausschluss unabhängiger Bestätigungsdienstleister droht der Wirtschaft ein Kapazitätsengpass und durch ein entstehendes Oligopol eine deutliche Preissteigerung bei den Prüfdienstleistungen.

Doppelte Wesentlichkeit

Wirtschaftsprüfer sind im Rahmen der Abschlussprüfung im Wesentlichen auf die Beurteilung von Bilanzierungssachverhalten spezialisiert. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung soll nach EU-Vorgaben allerdings nach der „doppelten Wesentlichkeit“ erfolgen. Dabei sind zwei unterschiedliche Sichtweisen (Inside-out, Outside-in) und unterschiedliche Bewertungskriterien (Impact auf Umwelt, Soziales und Unternehmensführung sowie finanzieller Impact auf das Unternehmen) anzuwenden. Anerkannte Prüfunternehmen haben im Gegensatz zu den Wirtschaftsprüfern die technische Expertise und Berufserfahrung, um die qualitativen und quantitativen zukunftsbezogenen Aussagen zu Nachhaltigkeitskriterien (beispielsweise zu Klimaschutzmaßnahmen oder Emissionsminderung) adäquat zu bewerten. Sie können diese Kompetenzlücke sofort füllen. So übernehmen etwa die Technischen Überwachungsvereine (TÜV) seit Jahrzehnten anerkannte Nachhaltigkeitsbewertungen bei Unternehmen: Sie messen, quantifizieren, verifizieren, validieren und zertifizieren Impacts in den unterschiedlichsten Wirtschaftszweigen.

Insbesondere kleinen und mittelständischen Wirtschaftsprüfern fehlt dieses komplexe, disziplinenübergreifende Know-how, das auch nicht kurzfristig aufgebaut werden kann. Sie sind folglich auf die Kooperation mit Fachleuten angewiesen. Sollte der künftige Referentenentwurf keine Öffnungsklausel für unabhängige Bestätigungsdienstleister neben den Wirtschaftsprüfern vorsehen, werden somit auch kleine und mittelständische Wirtschaftsprüfer von der Bewertung von Nachhaltigkeitsinformationen ausgeschlossen. Dies führt zu einer Konzentration des Prüfermarkts auf große Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Darüber hinaus wäre die Zulassung von weiteren Prüfunternehmen einfach umzusetzen. Dazu gibt es in der Zertifizierbranche bereits etablierte und gut funktionierende Anforderungen (ISO/ IEC 17029), Prozesse und Strukturen (Deutsche Akkreditierungsstelle, DAkkS), auf die zurückgegriffen werden könnte.

Es muss nun Tempo gemacht werden bei der Festlegung der Berichtsanforderungen und bei den entsprechenden nationalen Gesetzgebungsverfahren: HGB, GmbH-Gesetz, Aktiengesetz sowie Publizitätsgesetz müssen bis Ende 2023 entsprechend angepasst werden, damit die dann schon berichtspflichtigen Unternehmen wissen, was sie ab 2024 berichten müssen. Auch die Verfahren zur Akkreditierung der Zertifizierer müssen angestoßen werden, um die Qualität und Unabhängigkeit der Prüfgesellschaften zu sichern.

Transparenz

Die neue Berichtspflicht ist sehr zu begrüßen. Nur eine möglichst flächendeckende Einführung der Berichtspflicht schafft gleiche Wettbewerbsbedingungen und erlaubt die Vergleichbarkeit der Berichte. Nur konsistente und klare Anforderungen an möglichst viele Marktteilnehmende erzielen eine tatsächliche Transformation hin zu einer nachhaltigeren Welt. Eine unabhängige Überprüfung der Informationen stärkt deren Glaubwürdigkeit und hilft, Transparenz zu schaffen und Greenwashing zu vermeiden.

Eine Öffnung des Prüfmarkts für unabhängige Prüfunternehmen, wie in der Corporate Sustainability Reporting Directive vorgesehen, wäre sehr wünschenswert und würde helfen, Kapazitätsengpässe und absehbare Kostensteigerungen bei der rasant steigenden Anzahl von zu prüfenden Informationen zu mindern.

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